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aktuelle veranstaltungen

Grenzgespräche zwischen Religion und Wissenschaft

organisiert von Anton Grabner-Haider 

Prof. Dr. Grabner-Haider sendet monatlich eine Buchbesprechung  an InteressentInnen aus, sofern Sie nicht auf dieser Adressenliste stehen und dennoch diese Mails bekommen wollen, schreiben Sie mir bitte: karl.mittlinger@gmx.at 

 

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sticheleien

 diese sticheleien müssen nicht wortlos hingenommen werden, positive wie negative reaktionen darauf sind mir willkommen, ich möchte aber kein diskussionsforum eröffnen, in dem kraut und rüben vermischt daherkommen. bitte schreiben sie mir: karl.mittlinger@gmx.at 

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Nele Pollatschek (letztes Buch „ Kleine Probleme“) wendet … sich gegen eine unnötige „Sichtbarmachung“ von Geschlechtlichem in einer sogenannten gendergerechten Sprache: „Wenn wir im Deutschen gendern, dann sagen wir damit: Diese Information ist so wichtig, dass sie immer mitgesagt werden muss. Und wir sagen: Nur diese Information muss immer mitgesagt werden.“ Dagegen blieben Persönlichkeitsmerkmale wie Religion oder Hautfarbe sprachlich unberücksichtigt, würden also von der geschlechtergerechten Sprachpraxis „diskriminiert“. Pollatschek bevorzugt für sich die generische Maskulinform „Schriftsteller“, bei der kein natürliches Geschlecht (Sexus) sichtbar wäre; durch die weibliche Berufsbezeichnung „Schriftstellerin“ fühlt sie sich auf ihr Geschlecht reduziert: „Wer aus meinem ‚Schriftsteller‘ ein ‚Schriftstellerin‘ macht, kann auch gleich ‚Vagina!‘ rufen.“ (Wikipedia)

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Herbert Kickl will „Volkskanzler“ werden – hoffentlich findet sich dafür nicht genug Volk. 

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„Beim Lob des Bibelgotts läßt man außer Betracht, daß nichts so polemogen ist wie die bevorzugende Liebe und kaum etwas so höllenbrandbefeuernd wie die einseitige Verteilung von Zuwendung“ Peter Sloterdijk, Den Himmel zum Sprechen bringen. Über Theopoesie. Suhrkamp Verlag 2020, S. 62f;

Wohl eine der wichtigsten theologischen Wurzeln des Antijudaismus. In der Bibel ist in diesem Zusammenhang die Geschichte von Josef und seinen Brüdern zu nennen.

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Die selbstdeklarierte westliche Wertegemeinschaft pflegt wieder offen ihren geradezu religiösen Glauben an die Wirksamkeit von Gewalt, an die Heilsamkeit von Bomben und Zerstörung, von Drohnenmorden und Folter, von Unterstützung terroristischer Gruppen, von wirtschaftlichen Strangulierungen und anderen Formen von Gewalt, die ihren Zwecken dienlich ist – eine politische Fetischierung von Gewalt, deren Auswirkungen über den ganzen Globus zu besichtigen sind. (Rainer Mausfeld, Warum schweigen die Lämmer? Westend Verlag 2018, S. 14)

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„Bei Referenden und Wahlen geht es immer um menschliche Gefühle, nicht um menschliche Rationalität. Wäre die Demokratie eine Sache rationaler Entscheidungsfindung, so gäbe es absolut keine Grund, allen Menschen das gleiche Wahlrecht zuzugestehen – oder überhaupt ein Wahlrecht …“ (Yuval Noah Harari, 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert. C.H.Beck 2018)

&

Große Machtfülle verzerrt unausweichlich die Wahrheit. Denn Macht heißt vor allem, die Wirklichkeit zu verändern, und nicht, sie so zu sehen, wie sie ist. Wenn Sie einen Hammer in der Hand haben, sieht alles wie ein Nagel aus; und wenn Sie große Macht in Händen halten, sieht alles wie eine Einladung zur Einmischung aus. (Harari, ebd. 294)

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„Ich glaube, der Missbrauch von Macht steckt in der DNA der Kirche.“ (Bischof Heiner Wilmer, Hildesheim)

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Gutmenschen

Selig, die Armen im Geiste; denn ihnen gehört das Himmelreich (Mt 5,3)

Heute würde Jesus wohl sagen:

Selig, die Gutmenschen.

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Olivier Estoppes, Tag des Zorns, Spoerrigarten

tag des zorns 

nennt olivier estoppes seine Installation im spoerrigarten  in der toskana. drei gänsehirten treiben trommelnd ihre schar vor sich her. nach der lektüre von michel houellebecqs „unterwerfung“ (vgl. meine gedanken in „erlesenes“) ist nachdenklichkeit angebracht … (5.3.2015)

neue … und ältere gedichte

 

Inhalt:

neue gedichte

  • tears in heaven
  • der tod und das mädchen
  • einmal gott sein
  • Mythos
  • Anti-Mythos
  • Gott
  • paradise lost
  • tabula rasa
  • Von fern
  • messe für kontrabass

und einige ältere

  • kalender für alle fälle
  • griechische wege
  • karls r. käppchen
  • unter dem eis überleben die fische (auswahl)
  • sprachzeiten


neue gedichte

tears in heaven


ich beschuldige dich nicht
du rätselhafter
ich schiebe den tod
nicht dir in die schuhe
meine alten gottesbilder
habe ich längst zerstört
meine trauer hat teil
am leid der welt
meine tochter
ist tot
und lebt weiter
in allen die sie lieben
ich glaube
du bist dabei

(©karl mittlinger 28.5.2019)

***

der tod und das mädchen

es ist das verstummen

keine aufgeregten folgetonhörner

kein lärm kein hupen

keine quietschenden reifen

im inneren

irgendwo von weit her

weht der wind celloklänge

eine suite von bach

die gräser und blumen

halten den atem an

zögern mit dem wachsen

erinnerungen verblassen

berührungen küsse

umarmungen

atem auf der haut

ungelenk herumstehen

rückzug ins eigene

jahrhunderte stürzen

ins vergessen werden gelöscht

sich schuldig bleiben

pest und cholera pocken

typhus spanische grippe

und sars covid19

sanct corona

beschütze uns

selig alle die hoffen

es sind die vogelrufe

der frühling

lässt sich nicht aufhalten

auferstehen oder wiederkommen

an beides

kann man glauben

und wer nicht glaubt

hört die vögel dennoch

& das knistern der flammen

bei einfallender dunkelheit

gib deine hand, du schön und zart gebild!

bin freund und komme nicht zu strafen:

sei gutes muts! ich bin nicht wild

sollst sanft in meinen armen schlafen

                                                (matthias claudius)

übrigens hast du

unsere tochter im sterben

sanft in deine hände gebettet

dass sie sich vertrauenvoll

bei dir bergen

ruhig ausatmen konnte

das ist meine frage

nach vielen monaten

des schweigens

keine anschuldigung kein hadern

in mir klingt

vater, in deine hände

lege ich meinen geist (lk 23)

wenn der sommer

dann wirklich gekommen ist

sitzt du im schatten

hörst den vögeln zu

das summen der bienen

kehrt die mittägliche ruhe ein

das grillenzirpen

keine pandemie mehr

keine fallzahlen und inzidenzien

du kannst aufatmen

die welt wurde neu erfunden

oder bröckelt stein um stein

füllen sich die meere

bis an den rand fluten über

müssen wir eine arche bauen

die uns in neue welten bringt

mit anderen sonnen

wirst du dann wieder da sein?

einmal gott sein

etsi deus non daretur
auch wenn es gott nicht gäbe

(nach hugo grotius)
1
gott
eine hilfskonstruktion
zum menschwerden
um die angst
vor dem tod los zu werden
in die augen will ich ihm schauen
komm lieber tod
da ist meine gurgel
schnür den sack zu

2
lieber tod
lieber gott
will ich rufen ungehört unerhört
verhallen meine worte
ich bin allein
beim lesen der letzten seite
wird mir das buch zugeschlagen

3
den strafenden gott
gibt es nicht
den eifersüchtigen gott
gibt es nicht
den religionsgott
gibt es nicht
den gott
der seinen sohn
zu unserer erlösung
hinrichten lässt
gibt es nicht
den gott
der uns zu seinem zeitvertreib
zu seiner ergötzung
erschaffen hat
gibt es nicht

4
einen gott der existiert
gibt es nicht
sagt dietrich bonhoeffer
gott ist denkbar
aber einen denkbaren gott
gibt es nicht
das wort gott
allerdings existiert
gott göttin ein oder viele
geschmacksfragen

6
erkennen
dass es besser ist
zu lieben als zu hassen
gutes zu tun statt böses
zu verzeihen als zu rächen
auch wenn es gott nicht gäbe
aber wenn es nicht aus uns kommt
ist es nutzlos sogar von übel

7
den kosmos durcheilt mein geist
bis er müde wird
rote riesen weiße zwerge
auch sterne müssen sterben
ein gott müsste man sein
um all das bestaunen zu können
und erst die menschen
schwarze löcher
verschlingen alles

8
der blick nach innen
leid und ekstase
sinnlichkeit und schmerz
amedeo modigliani
verschwendet sein leben
für die idee mensch
& jeanne hebuterne
folgt ihm in den tod

9
der abenteuer der ahnungen
sind so viele
die leerstellen
auf dem globus füllen sich
hic sunt dracones
: die shoa :
die twin towers werden gefällt
satelliten umkreisen
den planeten sehen dich
deine daten
verewigt in der cloud
gottes auge ist dagegen
nur ein schöner mythos
religionen aber existieren
unausrottbar in den köpfen

10
suche nach gewissheit
nach meinem selbst
siddhartha gautama
starb lächelnd
& dennoch
zweifel
& dennoch
hoffnung
wer bin ich
wenn er sie es
doch ist

Mythos

 

Apoll verfolgt

Götter kennen kein Pardon

die jungfräuliche

Daphne sucht in

erstarrender Verholzung

ihr Heil

Zeus als

Schwan Goldregen Stier etc.

verführt

& schwängert

Niobe Io Danae Leda

Aigina Kallisto etc.

das blutjunge Mädchen aus Nazaret

hatte noch keinen Mann

im Bett

als sie ein Engel höflich fragt

ob es sich mit Gott

einlassen wolle

Anti-Mythos

Marias Verlobter

lässt die schwangere

Mädchenfrau

nicht sitzen

dass Gott die Hand

im Spiel hatte

will er glauben

Hut ab

vor Josef

der Sohn

konnte mit Josef

nicht viel anfangen

er strebte

nach Höherem

irgend etwas stimmt nicht

in dieser Familie

(Jänner 2014)

 

Gott

Ich halte mich

so lange ich es brauche

an dich

als Sinnkonstrukt

als Mikrophon

in das ich meinen Dank

für mein Leben spreche

als Toprope-Sicherung

bis ich frei klettern kann

einmal sollte es mir gelingen

– zu deiner Freude

paradise lost

1

es wird nicht mehr

meine welt sein

erde bedeckt mich

ein besuchspunkt mein grab

im alphabet der lebenden

bloß eine lücke

requiescat in pace

mich kann niemand mehr

zur verantwortung ziehen

wegen hoher cäsiumwerte

ich war gegen atomkraftwerke

habe aber auf großem fuß

in einer heilen welt gelebt

und viel energie verbraucht

mir so viel leisten können

in meinem bonsaigarten

des kleinen glücks

knarrende geigerzähler

katastrophenalarm

bombenangriffe

blieben mir erspart

es wird abend und morgen

sommer kommen und gehen

bis die natur sich erschöpft

burnout

2

das wird nicht mehr

meine welt sein

ich bin geflüchtet

stelle mich tot

lasse mich fallen

bleibe liegen

irgendwo

unendlich lang

zerfalle in moleküle

gesäuberte bündel

ohne schuld und erinnerung

die wieder gebraucht werden

in künftigen zeiten

zum aufbau neuer

komplexer strukturen

mit bewusstseinsoption

und es wird wieder beginnen

das sehnen und fürchten

das anklopfen und aushorchen

das versteckspiel mit dem risiko

nie gefunden zu werden

tabula rasa

den schlussstrich ziehen

gleich am anfang

es ist nichts

außerhalb unserer welt

alles ist erträumt

erfunden und ersponnen

gott ist eine kopfgeburt

(ephräm der syrer vermutet

gott sei uns zu ohren gekommen)

das bauchweh

kommt vom herzen

(4märz011)

Von fern

Von fern

aus derTiefe

in der Herzgrube

ein leiser Ton

ein Hauch

eine Anmutung

innehalten

eine Ahnung

Herzrhythmuswechsel

weil das Wort Hoffnung

existiert

weil das Unmögliche sagbar ist

Es ist nicht ausgemacht

dass der Tod das letzte Wort hat

weil es sinnvoll ist

zu flüstern

Himmel auf Erden

kein lautes Getön

kein Sieger führt die Scharen

kein Triumphgeheul

messe für kontrabass

(inspiration: peter n. gruber )

in dieser nacht

der unkenrufe

der wahrheit stand halten

introitus

einzug der ministranten

es sind die priester

ab handen

in dieser nacht

still still still

(weil der lechner spielen will)

kyrie

im ostinato

wissen wir nicht mehr

was gilt in diesen zeiten

hoffnungslos

rien ne va plus

wir sind am ende

die angst greift

gnadenlos

an die gurgel

was es wiegt

das hat es

erbarmungslos

pardon nicht gegeben

der preußen gott

lebt in uns weiter

in dieser nacht

wird die erinnerung

zur tretmine

wir

werden

weiter marschieren

in dieser nacht

ist die wahrheit

ein rosa winkel

ich habe gesündigt

in gedanken

worten und werken

hasenöhrl

mit gipfelkreuz

sei dein name

oder gantenbein

rufe ich

aus der tiefe

aber dort ist

niemand

kyrie eleison

elend und not

die großen wörter

nieder treten

ausreißen

ins feuer werfen

am karsamstag

wenn

brauchtumsfeuer

erlaubt sind

gloria

wer tastet mich an

wer leugnet meine größe

wer ist wie ich

göttin

sei gepriesen

kosmische kraft

sei gepriesen

tiefe der tiefe

du

sei gepriesen

mein ich

das dich schafft

du der du

am kreuz verreckst

nie verklingender ton

sei gepriesen

du hauch

von frühling

das sonder angebet

vom tage

lasset uns beten

lesung und evangelium

weil wir brüder sind

empfehlen sich

die schwestern

37 sekunden

leerrille

das ist kein fehler

die heiligen worte

werden heute

verschwiegen

weihrauch

akolythen

und das evangeliar

großmächtig

die letzte trumpfkarte

aufs holz geknallt

die kleinen mädchen

die herzigen buben

und der raue diakon

als kaiser

rotbart lobesam

ins heilige land

gezogen kam

in jener zeit

zu sharon und arafat

gegentod fideldum

himmelmutter und faun

und der kontrabass

fiedeldum fideldum

die zeit ist um

die zeit ist um

fideldum

dumdumdum

und um

predigt

in dieser nacht

hat die wahrheit

sich erhängt

erwürgte sich

in den verwirrenden fäden

der umsponnenen tatbestände

in dieser nacht

sei du mir schirm

und wacht

credo

glauben und glauben lassen

wer fürchtet sich

vorm schwarzen mann

die teufel

tragen heute

ihre hörner innen

in der nacht der nächte

fallen sternschnuppen

verglühen ideale

die heißen umarmungen

et incarnatus est

in falschen betten

aber nein

aus den himmeln

steigt herab

holt sich aus der gosse

nicht

aus den palästen

wer nur

den lieben gott

lässt walten

und so weiter

so weit ich

denken kann

denke ich

gott

so weit ich

denken kann

nizäno-

konstantinopolitanisch

aber nieder knien

will ich

nicht mehr

byzantinisches

hofzeremoniell

verachte ich

gott denke ich

gott ist keine

gottesanbeterin

letzten endes

kommt heraus

er ist wie wir

durch uns

und

mit uns

seine sehnsucht

reißt

die himmel auf

in nazaret

und anderswo

sind engel unterwegs

es nistet sich ein

das kind

kosmischer hochzeiten

blutig endet

erkenntnis

am ende

fürbitten

eine straße bauen

von timbuktu

nach kiruna

ein kinderspiel

von jericho

nach jerusalem

ist eine herausforderung

das kidrontal ist

einen steinwurf breit

lasset uns

einen turm bauen

bis in den himmel

der nicht im

ground zero

endet

dass wir dich

aus den augen verlieren

bitten wir

dass wir

dich vergessen

bitten wir

dass wir

dich überhören

bitten wir

lasst uns

alle dateien

löschen

dich

von den wänden

kratzen

eilen wir

zu den therapeuten

erlöst uns

von allem übel

nicht fernerhin

verelende uns gott

gabenbereitung

weit weit weit

strecke ich

meine hände aus

in dieser nacht

fällt die erinnerung

der amnesie zum opfer

mit leeren händen

preise ich dich

mein leben

präfation

einleitend

wird wahrheit

beteuert

menschen würde

minus

anfang und ende

an den grenzen

wachen

argusaugen

die schleier

so will es das gesetz

müssen fallen

das köpferollen

beginnt

in den köpfen

bereitet

dem herrn

den weg

odysseus und kirke

daphnis und chloe

amor und psyche

paarweise

die einsamkeit

austreiben

ein klagelied

lasst uns anstimmen

über diese nacht

sanctus

als der mann

die frau küsste

schuppten seine augen

liebe

ist ein nichts

das alles werden will

ach dass ich dich

so spät erkannte

du hochgelobte

in jener nacht

wurde die erinnerung

amnestiert

hochgebet

in der sorge

um den rechten glauben

werden linkshänder diskriminiert

pain and pleasure

aus der tiefe

steigen nebel

wandlung

brot kann

nicht mehr unbefangen

gegessen werden

der mensch

ist gottes

nährboden

in ihm west

kommt er

ans licht

mit haut und haar

den menschen

ausgeliefert

gejätet ausgerissen

gedeiht nichts anderes

verkarstet

in den seelenlöchern

hausen

fledermäuse

blutsauger sind wir

untotes

nächtliches gesindel

dreschen wir auf

den tintenfisch ein

waschen ihn aus

hängen ihn

zum trocknen

auf den baum

christus vincit

regnat imperat

christus triumphat

müsste

vor dem herren

schamrot werden

in die unterste unterwelt

in die kellerverliese

hat er sich verschloffen

um ihn zu finden

müssten wir uns

tief beugen

tiefer als

je ein mensch

sich gebeugt hat

ergeben hat er sich

das kesseltreiben

hat ein ende

ausgeliefert

unseren phantasien

eine null vor dem komma

loserpoesie

trash

sonder müll

vater unser

auf den zehenspitzen

meiner sehnsucht

balanziere ich

halte ausschau

nach dir

mein gott

tauche in die ozeane

suche den leviathan

mit dem du spieltest

im österlichen zeitfenster

berechne ich die flugbahnen

möglicher himmelfahrten

grabe mich

durch verschüttete zugänge

in mein herz

der mund

ist mir verklebt

die kehle eingetrocknet

ich bettle

um den erlösenden

luftröhrenschnitt

der mich

vor dem ersticken

rettet

friedensgruß

händeschütteln

verhindert erfolgreich

umarmen

agnus dei

fesseln

messer wetzen

beile schwingen

trainingsziel

göttliches

wohlgefallen

fleisch hauen

schächten

schlachten

opfer

verlangen

opfer

seht

der gaukler gottes

tanzt nicht mehr

ein kreuzschatten

fällt

über die welt

kommunion

von meinem brot

darfst du

nicht essen

wer seine seele

knechtet

wird gewürdigt

bettler werden

mit ein paar münzen

abgespeist

ach wie gut

dass niemand weiß

von dieser nacht

was bleibt

ist ein schaler

nachtgeschmack

segen

mögest du

unseren umkreisungen

gewogen sein

auf den dunklen seiten

keine sternschnuppe

kein verglühter stern

uns erschlagen

mögen die computer

richtig rechnen

und die sonnensegel

sich entfalten

die luft zum atmen reichen

kümmere dich bitte

um diese kleinigkeiten

da draußen

zwar können wir

uns schon

selbst hinausschießen

übers ziel

aber retten

nicht

schluss

mit wehenden fahnen

den himmel in den händen

bei allen wettern

ohne esel geraten

prozessionen leicht

zu demonstrationen

im morgendämmer

verkriechen sich

nächtliche phantasmen

mit kreuzstichen

nähen wir unentwegt

an unserem leichentuch

früher konnten sie nicht aufhören

mit dem flehen und danken

heute ist alles endenwollend

… und einige ältere 

kalender für alle fälle

jänner

auch heuer wieder

silvesterraketen

sekt

sternsinger

verdeckt

im kartenstapel

vielleicht

irgendwo ein joker

feber

das zottelfell

meiner verkleidungen

trage ich

innen

die männer beginnen

den frieden zu hassen

märz

die verheißungen

hören nicht auf

im zeichen

der fische

april

schwanger

mit sommer

und stürmischen

zwischenspielen

die männer ziehen

in den krieg

mai

lauf mir nicht

über den weg

mädchenfrau

ich weiß nicht

ob wir diesmal

ungeschoren

davonkämen

juni

die schöne schäferin

wiegt ihr kindlein

städte werden belagert

in den schützengräben

bellen die gewehre

juli

hoch zeit

der mut zum weiten weg

im schatten

rasten die hirten

stilles einverständnis

der engel

august

auf den gipfeln

neigt sich unmerklich

jeder abstieg

abschied und sterben

das jahr

september

spürt

versäumten

gelegenheiten nach

die schwermut

nicht eingelöster

versprechen

oktober

ein gruppenbild

ein buntes bilderbuch

ein lächeln

behalt mich lieb

november

kathrein

stellt den tanz ein

die friedensverhandlungen

beginnen

dezember

die hirten

werden fromm

neigen ihre knie

jedes grab

wird zur krippe

(1994)

 griechische wege

(1)

du fragst warum ich

ariadne medea

harmonia kirke

so zufrieden mit dir

theseus jason

kadmos odysseus

zusammenleben kann

ich mag dich

metis themis eurynome

demeter leto dione

maia alkmene semele

danae leda antiope

taygete aigina kallisto

und hera hera hera

weil du klug

und zärtlich bist

(2)

mein griechenland

ist schwer

zu entziffern

zweiseitig beschrieben

durch dünndruckpapier

scheinen die buchstaben

worte kann ich noch lesen

aber nicht mehr aussprechen

die alten göttinnen

erobert sich zeus

lockt sie

in seinen olymp

maria margareta

magdalena sophia

funkeln für mich

am firmament

(3)

über die berge

wandert

die myrthenbekränzte

zu anchises dem hirten

laß es abend werden

in der nacht

darf ich dich hoffen

wange an wange

leise

auf zehenspitzen wohl

hast du mich verlassen

das leere bett am morgen

(4)

ins wasser

kehren wir zurück

zu den tanzenden

spielenden meermenschen

ad usum delphini

erzähle ich dir

eine jugendfreie

geschichte

mit unseren leibern

flechten wir

bänder

verstricken uns

unsere geschwister

aus dem paradies

delphine leben

was wir uns verbieten

(5)

sandalenlösende nike

geflügeltes weibchen

dir erblühen

jugendliche brüste

du summst

für mich sto perigiali

im plattengeschäft

deshalb mag ich dich

du klammerst dich

an mich

weil der held in mir

die insel erobert

mit den wegen

verwachsen

die geschichten

der götter

im gestrüpp unter dornen

der gesang im feuerofen

todesahnungen

keine angst hab vertrauen

(6)

aus der anderen welt

schauen die heiligen

ikonen

unserer strengen träume

ariadne indessen

sitzt an der bar

mit viel wasser

mag sie den ouzo

auf der heiligen straße

pilgern wir

zu hera zu maria

kindlich fromm

mauerreste bruchstücke

geborstene säulen

unerträglich

wäre das unversehrte

(7)

an bord des schiffes

auswendig lernen

wo aber gefahr ist wächst

das rettende auch

die dornen

der nachtblühenden

reißen telekinetisch

ein herz auf

durch alle tore

stürmen

mit gesenkten hörnern

stiere

vor einem kafenion

mit den männern sitzen

jede vorbeigehende

könnte es sein

wer wird als frau

denn schon geboren

man wird zur frau

doch erst gemacht

(8)

meine mauern

hast du zertrümmert

wehrlos

liege ich vor dir

du zeigst mir immer

daß es möglich ist

ganz frau und

trotzdem frei zu sein

salzverkrustet

wache ich auf

reibe mir die augen

wo bin ich gelandet

nausikaa

wirft den ball

nackt

stehe ich vor ihr

beschwerlich

sind die wege

zurück

in die heimat

(9)

in trümmern liegt

aber in den höhlen

flüstern mir nymphen

ein ganzer glaube

der poet in mir

denkt psyche

zu eros

ist kein christ

spielball bin ich

wenn aphrodite

und hera streiten

ihrer wünsche

(10)

der tod

wird nicht mehr sein

schreibt der alte

in der grotte

tröstliches

verheißt er

was früher war

ist vergangen

der nonne auf dem berg

bist du willkommen

alle wege

enden in der kirche

unter dem kreuz aber

schau genau hin

stehen clotho

lachesis und atropos

(11)

mein herz

ein schmetterling

zittert

in der schmerzkälte

ich erhoffe nichts

mein leib

zerschnitten

durchwühlt

ich fürchte nichts

der geflügelte

geleitet mich

über die abgründe

ich bin frei

spiel mir

das adagio KV 622

ich werde geborgen sein

(12)

ins abendrot

segelt kassandra

aminte liegt

hinter mykene

auch du

blickst

der sonne nach

in die ewigkeit

und ersinnst

für ödipus

was ist der mensch

ein neues rätsel

Zitate: G.Seferis, A. Heller, F. Hölderlin, Apokalypse d. Johannes, N. Kazantsakis.

(1992)

karla r. käppchen

 

es war gottseidank nur ein alptraum

in dem ich meine erste regel bekommen hatte

die mutter war besorgt

wie alle mütter

seit ihnen im paradies schürzchen gefertigt worden waren

haben sie nichts anderes im kopf

als um das darunter verborgene

das knospende der töchter besorgt zu sein

kuchen und wein

träumte mir hätte ich geantwortet

als er mich fragte was ich da so im körbchen hätte

dabei war ich nicht ganz ehrlich

nicht einmal im traum gelingt es mir

lass die flasche nicht fallen hatte die mutter gemahnt

aber von meinem roten mützchen hatte er wohl nichts geahnt

sondern sich insgeheim gedacht

er könne aus der flasche köstlichen wein schlürfen

wie lieb er mir die plätze mit den schönsten blumen beschrieb

und von der vögel fröhlichem gesang zwitscherte

er will mich pflücken dachte ich mir insgeheim

und bin nicht einmal rot geworden bei dieser vorstellung

aber als er sich trollte war ich enttäuscht

und habe einem gänseblümchen die blütenblätter gezupft

er will mich er will mich nicht er will mich

aber wo ist er nur hin

was blieb mir als zur großmutter zu wandern

wie es sich gehört

hatte sie mir doch seinerzeit das märchen

von dieser naiven göre erzählt

insgeheim hoffte ich doch

ihn bei ihr zu treffen

er hat sich den weg ja von mir so ausführlich erklären lassen

vielleicht hat er kreide gefressen

labert ihr was vor

trinkt mit ihr ein paar gläser

seit der großvater sich aus dem staub gemacht hat

sagt sie dem roten zu

ein bettchen ist allemal bequemer

dachte ich schlimmes kind mir

im traum natürlich

die tür war offen

aus dem zimmer war lautes schnarchen zu hören

aber omi wieso hast du so große ohren

damit ich dich besser hören kann

aber omi wieso hast du so – –

hör doch auf mit dem kindischen scheiß

komm ins bett

da habe ich das geladene gewehr gesehen

und es ist mir ganz schwindlig geworden

ich bin doch heute das rotkäppchen

schweißgebadet erwachte ich

eingewickelt verheddert in der decke

wolfi hat mich auswickeln müssen

danke mein jägersmann

flüsterte ich

(2007)

 Fische_blauerR_klein

unter dem eis überleben die fische

(einige texte zum kennenlernen)

(16)

heimatvertrieben

auf der langen winterreise

gefährtenlos

verweht des wildes tritte

taumeln wir

aufrecht kaun

hält rechthaberisch

uns

will kein gott auf erden sein

sind wir selber götter

die ständige wiederholung

dieses satzes

(20)

ich schreibe dich

in mein herz

lausche den geschichten

aus jungmädchentagen

ahne das lustige kind

hinter ernsthaften gebärden

erinnere schlaftrunkene körperwärme

morgentaublicke heublumenhaar

male mir auf vergilbten fotos

deine liebe aus

sehe dich älter werden

an der größe der kinder

kritzle schmetterlingsflügel

um sorgsam verheimlichte falten

verziere mit dem klang deiner stimme

die gesten tröstender hände

wort für wort

buchstabiere ich dich

zwischen den zeilen

lese ich mich

(30)

die zigarette erloschen

kippt aus dem aschenbecher

im weinglas

ermattet eine fliege

eingetrocknete kaffeetropfen

lippenstiftreste auf der tasse

verstohlen ein blick auf die uhr

ich muss gehen

(46)

mit dem unglauben

kommt das denken

die stimme wird klarer

die tänze fallen sich ins wort

don giovanni zweifelt nicht

es lebe die freiheit

wenn du entschwindest

bleibt leere sagen die priester

ich erfinde dich neu

DU mein windhauch

sprachzeiten

(vollständige fassung)

1

als ich reden lernte

trug die sprache

die männerkleider

der trümmerfrauen

in zerschlissenen brotbeuteln

schimmelten

die lebkuchenlieder

der meistersinger

den maulhelden willfährig

lag die geschändete noch

verlaust verseucht

in quarantäne

stolz

kein anderes adjektiv

fiel ihr mehr zu trauer ein

schwor sie ab

niemals wieder

beteuerte sie

und schämte sich

ihrer reime

2

deklinieren lernte ich

auf frühjahrsäckern

auch der starke vater

beugte sich beim pflügen

den imperativ

begriff ich im sommer

tu weiter bub

ein gewitter kommt

in der maisschälsprache

erzählte er mir herbstgeschichten

in reflexen verben

träume ich mich in sein leben

beim schnapsbrennen

auf der küchenbank

studierte ich

seine überlebensgrammatik

3

in der schule

erklärte man mir

auch wörter

haben ein geschlecht

der lehrerin

brachte ich hasenfutter

der pfarrer

zog uns die ohren lang

heimlich

in kammerspielen

übten wir

konjugieren

4

was man uns angetan hat

die bomben die besatzung der russ

aber wir bauen unser geliebtes

vaterland wieder auf

österreich und

die gedanken sind frei

wir waren die opfer und

unser mann der herr karl

in den bierzelten

wir feierten wieder

endete die sprachlosigkeit

a jud bleibt a jud

5

den falschen ton

lehrten sie mich

auf begräbnissen

nie wird mehr gelogen

wortstreu

deckt den sarg

dürres laub

raschelt

beim totenmahl

löffeln sie mitleidsuppe

spiegeln sich

in den fettaugen

wein

löst die zungen

schon schreiben sie

lebensgeschichten um

mit rosen und nelken

kränzen sie

feiern

ihr überleben

6

der arme bettler

bekommt immer

einen teller suppe

ein braves kind

folgt immer

seinen eltern

den grenzstein

versetzt immer

der nachbar

jeder darf dich ablutschen

bist allen gefällig

und billig zu haben

7

sugar baby

von peter kraus

im schulterwurf

beim rock’n roll anglisiert

vormals

mein schätzchen

ich hör es noch singen

i liab di so fest

8

als sie die revolution übten

und transparente malten

in den talaren

der muff von tausend jahren

hob sie ihren rock

und schiss

den magnifizenzen

vor die füße

9

in ihre große liebe

zu den gottesmännern

einst waren sie ein fleisch

mischten sich falsche töne

diene uns

dann lieben wir dich

halten sie schlangenhäute

für ihre wahrheit

10

als die bilder

in den wohnzimmern

gesprächig wurden

verkamst du

zur meterware

start stopp rewind stopp

entenkatermäuse

portionierten dich

sprechblasengerecht

verführst seither minderjährige

unter bettdecken und schulbänken

ächz stöhn würg kotz

11

alle wollten dich

zum priester berufen

nach ihren bildern

nimm deinen sohn

den du liebst

der vater trägt den koffer

kein engel ruft

der autobus reißt den buben

vom weinenden

den geschwistern entfremdet

verführen sie dich

zum josefstraum

in die einsamgrube

stoßen sie

den angstschüler

silentium

der betende zensor

löscht mit dem licht

mutterbriefe

scheuern an fesseln

tränensalzig

hände verraten

was tagebücher

verschweigen

(1988)

prosa

Inhalt:

  • die junge frau liegt aufgestützt
  • Kaleidoskop
  • die claims werden abgesteckt
  • und sie singen zusammen
  • manchmal denkt er
  • das kleine mädchen

die junge frau liegt aufgestützt auf ihrem rechten arm im feuchten sand und läßt sich von der verebbenden gischt belecken, vom zurückfließenden wasser unterspülen, vom nachrieselnden sand wieder einbetten. die letzten sonnenstrahlen schaukeln, wiegen sich schläfrig auf den wellen, klimpern dem tage ihr lebewohl zu. die junge frau zeichnet selbstvergessen mit ihrer linken kreise, spiralen, verschlungene ornamente, beginnt nach jedem wellenschlag unverdrossen die gelöschte tafel wieder mit ihren zeichen zu füllen, in die mitte eines labyrinthes setzt sie eine gehörnte schnecke als minotaurus, schon kommt theseus über das meer gefahren, ariadne die strahlende jungfrau reicht ihm das wollknäuel am eingang in die unterweltlichen gewölbe, das weitere weiß der held zu tun, auf naxos berührt mich dionysos im schlaf an der brust, wie kann ich noch daran denken, einem anderen mann anzugehören. im rhythmus einer kleinen trommel tänzeln, kreiseln, wirbeln ihre finger im sand freudig begrüßt sie ihren vater jiftach, als er von der schlacht siegreich heimkehrt, was ihm aus seinem haus als erstes entgegenkommt, hat er versprochen zu opfern. es ist immer die kleine tochter die ihrem papa entgegenläuft; bevor ich mich schlachten lasse gehe ich mit meinen freundinnen noch in die berge um von meiner kindheit abschied zu nehmen. ein rad zeichnet katharina und erinnert sich ihrer feurigen dialoge mit den philosophen, ach was sind männer doch schlechte verlierer, der kaiser bietet mir an, die erste frau nach der kaiserin zu werden, aber ich habe mich meinem himmlischen bräutigam versprochen, was schadet mir alle marter, ich höre schon die stimme komm nun meine geliebte und meine braut denn siehe die himmelstür ist dir aufgetan. helm und krone zeichnet jeanne und rezitiert lebt wohl ihr berge ihr geliebten triften, es sind diese stimmen die mich die rüstung anzulegen zwingen, nie wird der brautkranz deine locken zieren dir blüht kein lieblich kind an deiner brust, den dauphin führ ich nach reims zur krönung, danach folgen verrat folter verbrennung. marie-anne-charlotte spürt beim zeichnen eines messers noch einmal die kraft, mit der sie es dem bürger marat in die brust stößt, ich wollte meinem vaterland den frieden geben, ich hab mich selber auf das fallbrett gelegt, der zimmermann legros hat dann meinen kopf dem volk gezeigt und mich geohrfeigt, dass ich deswegen errötet sein soll kann ich nicht glauben, ich bin vor zorn rot geworden, aber das konnte der scharfrichter sanson wohl nicht so genau unterscheiden. einen davidstern zeichnet selma in den sand, das schwerste ist sich verschenken und wissen dass man überflüssig ist, sich ganz zu geben und zu denken dass man wie rauch ins nichts verfließt, mit rotem stift hab ich an jenem 23. dezember 1941 noch dazugefügt, ich habe keine zeit gehabt zu ende zu schreiben, dann hat mich die einsatzgruppe d aus czernowitz ins arbeitslager michailowka verschleppt, fast genau ein jahr hab ich durchgehalten. der wind wird stärker, er ein kälteschauer überfällt die frau, sie setzt sich auf und reibt sich warm, wickelt sich in eine decke. ein stern glänzt am nächtlichen himmel, schimmernd zittert ein lichtfaden auf dem meer, ich bin in sehnsucht eingehüllt, denkt sie, warum gerade ich und ihr kind hüpft vor freude in ihrem leib.

Kaleidoskop

 

Die Frau läuft durch den englischen Park, ihre Schritte lenkt sie in seinen verborgensten Winkel, sie hat sich gerade herzüber verliebt und ist übervoll von zärtlichsten Empfindungen. Hinausschreien will sie ihr Glück, die ganze Welt möchte sie umarmen, ganz hingegeben an den Augenblick, reißt sie sich die Kleider von ihrem glühenden Leib, rot leuchtet ihr lose um einen Arm geschlungener Umhang.

Der Mann ist geblendet von ihrer Schönheit, träumt er, ist es eine Elfe, hat er sich in einen Film verirrt? Er hält den Atem an, kneift sich in die Wange, es ist kein Traum.

Die Frau entdeckt ihn, erschrickt, bedeckt ihren Körper, lächelt ihm verlegen zu.

Seine Hand streckt er nach ihr aus und sie kommt auf ihn zu, ihr Zögern ermuntert ihn, seine Einladung nimmt ihr die Scheu und sie bietet ihm ihr pochendes, atmendes, nach Berührung lechzendes Fleisch dar, zum Verzehr freigegeben, deutet sie ihm und er schlägt seine Zähne in die köstliche Mahlzeit.

Geh niemals allein in einsame Gegenden, dort lauert Gefahr, hört sie die Muttergöttin predigen, sie schließt die Augen und spürt den Keuchenden, riecht die Bierfahne des Mannes ihrer Kinderzimmernächte. Lebenslänglich wird ihr vor Eiweiß ekeln, warum hat die Mutter nie etwas gesehen, Mama was hast du gewusst?

Er wird sein Leben lang nach jener Frau suchen, die ihn ins Knusperhäuschen gelockt hat. Komm her du lieber Bub, ich schenk dir Mariazell im Schnee, du musst es nur schütteln, ich schenk dir ein Kaleidoskop, du musst es nur drehen. Ich schenk dir mein Herz, du musst mich nur streicheln, ja das ist schön, wie gut du es kannst, ja berühr mich, küss mich mein Kleiner, wie stark du schon bist, wie zärtlich du sein kannst.

Und er wird kommen, sie anfallen, zu Boden werfen und ihr Gesicht bedecken.

Und es schmatzt grunzt schnauft und stöhnt hinter dem Gebüsch, die Raben eräugen anfallende Beute.

Nein, er wird er sie nicht zu Boden werfen, er wird sie zart an der Hand fassen, weil du so voller Liebe bist, wird er ihr zuflüstern, rennst du in die hintersten Winkel, du suchst den Schmerz, weil du dir gar nicht vorstellen kannst, dass es einen Menschen gibt, der dich so lieben könnte, wie du es dir ersehnst.

Ich werde dir die faltigen Gewissensqualen aus deinem Gesicht fächeln.

Die Reinheit wirft immer einen Hurenschatten, hört er sich sagen.

Die Frau läuft in den hintersten Winkel des englischen Parks, ans Ende der Welt möchte sie rennen und ungesehen den zerbrechlichen Schatz jener den missgünstigen Göttern entgangenen Augenblicke aus dem seidenen Umhang entbergen, die kostbaren Gesten, die kosenden Lippen, die berührenden Stammelwörter noch einmal erinnern.

Völlig unerwartet ist ihr das Glück der Liebe widerfahren, dass so etwas ihr passiert, hatte sie sich doch schon längst mit der Vergangenheitsform angefreundet und das Eswareinmal war ihr lieb geworden.

Das Herz will ihr bersten, da kommt der Mann und redet sie an und ist so hungrig und er ist so ausgezehrt und alle seine Gesten schreien nach Erfüllung.

Und er ist ihr Nächster und er ist unter die Räuber gefallen und er bedarf ihrer und sie gibt ihm, was sie hat.

In der Nacht kommt sie in das Bett des Mädchens, wärm mich, ich hab so kalt. Sie schmiegt sich an den kleinen Körper, es stellt sich schlafend, ihre Tränen rinnen über seine Haare. Mama, flüstert es, Mama wein doch nicht. Sie umarmen sich, der kleine Mund findet den großen Mund.

Er kann nicht einschlafen nach dem Sturz vom Felsen, der verstauchte Fuß schmerzt fürchterlich, diese Salbe nimmt die Schmerzen sagt der Trainer und schmiert ihm den Fuß ein. Seine massierenden Hände tun ihm wohl, überlagern den Schmerz, weiter kreisen sie, erforschen das Umland, streifen durch Gebüsch und Flur und entdecken jenseits des Horizonts das Land der Geysire und heißen Quellen. Die Schwefeldämpfe lassen sie in einen bilderreichen Schlaf fallen.

Kaum ist er wieder auf den Beinen, wachsen ihm Reißzähne, er sperrt sein Maul auf, um sie zu verschlingen, sein Atem wird zum Orkan, der sie aus ihrem Schifflein zu fegen droht.

Sie erwacht sie aus dem Schlaf und gebietet dem Sturm. Es tritt jene Stille ein, die als Seil über die Abgründe gespannt ist, darauf zu balancieren sie sich fortan verordnet.

Sie flüchtet vor den vollen Rundungen, vor den weichen Lippen, die sie sich verboten hatte die ganzen Jahre. Wie es in jenem Lied hieß, das sie beim Lagerfeuer in den Bergen sangen, vom jungen König und vom Reiterbuben, die sich jenseits des Tales begehren, solche Lippen sind das.

Als sich die Liebenden auf der Leinwand küssen, streift die fremde Frau neben ihr wie unabsichtlich an ihr Knie, sie kann, will nicht wegrücken, die Hände berühren sich, Finger tasten suchend über schaudernde Haut, alles ist so weich und warm, kein Bieratem, kein Eiweißgeruch.

Der Mann, der ihr in den Park folgt, soll ihr durch seine fordernden Küsse jene Sehnsucht überdecken, soll jenen Träumen ein Ende bereiten, es soll ein Text überschrieben werden, von dem sie zuvor heimlich eine Kopie gefertigt und diese schreibgeschützt unter einem Passwort abgelegt hat, wie dies die Mädchen zu allen Zeiten zu tun pflegten und die kleinen Buben auch.

 

(2007) Kaleidoskop in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 24, Jahrgang 2007, 99;

 

die claims werden abgesteckt

die reviere markiert die autos gegen ungebetene gäste in form der alten wagenburgen am rand des territoriums geparkt heringe werden ins erdreich getrieben hell klingen die hammerschläge in die mittagsruhe zelte werden aufgeschlagen bikinis und badehosen angezogen alle vorbedingungen für einen ordentlichen sonnenbrand erfüllt tische und sessel aufgeklappt wäscheleinen gespannt exakt berechnet der abgrenzungseffekt der sich durch nasse handtücher ergeben wird stromkabel werden verlegt man will ja auch im urlaub nicht auf die elektrische zitruspresse verzichten hier im süden schmeckt der frischgepresste saft aus sonnengereiften orangen unvergleichlich besser und man weiß auch was im glas ist, dort und da eine transportable satschüssel justiert die kinder sitzen schon ungeduldig vor den fernsehern die kühlschränke werden mit mitgebrachtem geladen den babies werden planschbecken mit wasser gefüllt schlauchboote luftmatratzen aufgepumpt fahrräder von den dachträgern gehoben gaskocher angeschlossen für die ersten streitereien mit den nachbarn ausgiebig argumente gesammelt kurzwellensender auf die heimatlichen wellen konditioniert die mobiltelefone getestet der horizont nach sendemasten abgesucht holzkohle und grillanzünder bereitgestellt um die zelte werden wassergräben gezogen plastiksäcke als mistkübel definiert die obligate gusseiserne pfanne für steaks ausgepackt federballschläger bälle bocciakugeln angelzeug strandmatten badesandalen überlebensmesser sonnenhüte aus dem kofferraum geholt sonnensegel gesetzt die ersten bierflaschen geleert die schreienden kinder verwarnt der hund angepflockt die schlafsäcke ins innenzelt gestopft salat gewaschen dazwischen ein hansalbersblick unter fremden sternensummend auf die see geworfen die hotelmenschen bedauert in ihrer lächerlichen zivilisationsverhaftetheit in die aufgeschnittenen würstel wird käse eingelegt mit speck umwickelt mit zahnstochern fixiert und eine strecke auslegt sich urzeitlicher jagdbeute erinnernd ketchup und senf bereitgestellt gurken geschält essig und öl verzweifelt gesucht ein kleines kind mischt indessen ins spiel versunken den salzvorrat mit sand schüttet limonade dazu und beginnt einen teig zu kneten die küchenrolle ist unauffindbar dosen werden geöffnet babys trockengelegt und gestillt katzen gefüttert kinder stolpern über zeltschnüre heringe werden aus dem boden gerissen schreianfälle werden mühsam unterdrückt schürfwunden gereinigt pflaster geklebt tränen getrocknet schweiß von der stirne gewischt die kinder in die zelte gejagt fernsehverbote werden ausgesprochen auf den tischen gelsenlichter entzündet der wind verteilt den beißenden rauch der grillfeuer einer endlosen reihe von stellplätzen sie würden für die halbe amerikanische prärie reichen aber nur das eigene feuer zählt und der sternenhimmel die umgebung wird ausgeblendet in den männern glost die sehnsucht nach den abenden am lagerfeuer ihr gang wird zusehends breitbeiniger nach einem langen ritt durch die prärie fallen sie todmüde von den pferden salzverkrustet und staubbedeckt die sehnsucht nach wasser nach einem bad im fluss lässt sie alles andere vergessen die aufgesprungenen lippen schlürfen gierig die letzten tropfen aus dem wasserbeutel und wenn dann nach dem erdverbundenen abnagen der letzten rippchen sich die männer zum gemeinsamen umtrunk sammeln kommen sie eine tagereise weit aus einer anderen welt ihrer eigentlichen heimat aus einsamkeit staub und gestank sie lümmeln am tresen schauen den frauen beim geschirrspülen zu aus der hildegard wird die lola aus der brigitte die susie an ihren hüften klebt das begehren eines endlosen rindertriebes von santa monika nach laremy mit den geschichten von den dirnen den willigen frauen mit denen sie die lodernden flammen in den endlosen nächten schürten am brennen hielten bis eine wiskeyschwere hand das feuer löschte und schweratmende cowboys von schöneren sünden träumten in ihren blusen t-shirts bikinioberteilen verfangen sich ihre blicke ärmellöcher und verrutschte ausschnitte knapp sitzende höschen weiten die pupillen die vergilbten marschbefehle werden hervorgekramt und zur rechtfertigung vorgetragen die frauen wollten es so und alles zickige getue sei nichts als herausforderung in wahrheit zähle ja bei ihnen nur ein mann der es ihnen ordentlich besorge und wenn es dann kühl wird die lichter herabgebrannt sind schleichen sie stolpern über nachttöpfe schwimmreifen limonadeflaschen in die zelte zu ihren längst schlafenden frauen streicheln kneifen lecken sie wach schlaftrunken werden die alten rechnungen beglichen sei doch nicht so laut die kinder könnten uns hören die nachbarn sind noch wach psst hör treiben die es neben uns das könnt ich nie und in jedem zelt sehnt sich ein mann nach den geschichten am lagerfeuer und dass sie ein einziges mal wahr würden

und sie singen zusammen

der franz und der hans und es ist wie es früher war es geht ums dirnderl es geht ums liabhobn und jeder jodler kündet von jauchzender erfüllung und sie sind das volk der hans war sparkassendirektor und der franz holzarbeiter in der stüll in der ghoam singen sie schleicht da vetter zu der moahm  und um die bank vor der hütte versammeln sich köhler holzfäller förster jäger bauernmädchen sennerinnen mägde wirtstöchter wenn ich mich richtig erinnere war es gott der die liebe erschuf und die leidenschaften und deine lust nach mir und meine gier nach dir und das paradies haben wir uns selbst vermurkst und sie singen zusammen der franz und der hans und es ist wie es früher war es geht ums dirnderl es geht ums liabhobn und jeder jodler kündet von jauchzender erfüllung und vom heimschleichen in der früh und sie sind das volk und der hans war sparkassendirektor und der franz holzarbeiter in der stüll in der ghoam singen sie s’dirndl is kloan kann net schlafen alloan und alle spüren die stimmen ihres blutes und die gstanzeln fliegen hin und herüber neue vierzeiler werden gedichtet wein und schnaps ausgeschenkt und die mädchen erröten wie es sich gehört bei den derben scherzen und die sonne sinkt man rückt näher zusammen die burschen machen sich hoffnungen die mädchen zählen insgeheim ihre tage ein feuer wird entzündet die lieder werden inniger leiser wangen glänzen im lichtschein immer wenn sie diesen mann ansah wurde ihr ganz schlecht vor erregung sie musste dann schnell aufs klo er verzog nur ein wenig den mund ich krieg dich baby so ist es dann auch gekommen und sie singen zusammen der franz und der hans und es ist wie es früher war es geht ums dirnderl es geht ums liabhobn und jeder jodler kündet von jauchzender erfüllung und vom heimschleichen in der früh und sie sind das volk und der hans war sparkassendirektor und der franz holzarbeiter in der stüll in der ghoam singen sie s’dirndl hot gsagt i soll keman auf d’nocht sie hots betterl weiß bett und’s türl aufgmocht und der wein erhitzt sie finger hände erinnern sich verschwiegener pfade im dunkeln begeben sich auf wanderschaft ich halt es nicht mehr aus ich bin doch nicht seine leibschüssel kupplung gang rein gas so funktioniert das nicht bei mir auch nach so vielen jahren will ich bemerkt werden ich reiß dieser brünstigen geiß die die haare aus ich renn ihm ein messer in den bauch und sie singen zusammen der franz und der hans und es ist wie es früher war es geht ums dirnderl es geht ums liabhobn und jeder jodler kündet von jauchzender erfüllung und vom heimschleichen in der früh und sie sind das volk und der hans war sparkassendirektor und der franz holzarbeiter in der stüll in der ghoam singen sie es geht alles in der stüll wenn ma wüll

 

manchmal denkt er

kennt er sich nicht wieder bei seiner geburt gab es in seinem elternhaus noch kein elektrisches licht keine straße führte zum bauernhof natürlich gab es bis in die sechzigerjahre keinen traktor kühe wurden als zugtiere verwendet wären da nicht die sentimentalen erinnerungen an den krieg gewesen und die schicksale der auswanderer nach amerika er hätte ebensogut ein jahrhundert früher auswachsen können und es wäre wohl das gleiche leben gewesen die gleichen geschichten im schatten wenn das heu zur mittagszeit trocknet das strenge zeremoniell der fronleichnamsprozession die totenwachen das sauabstechen das fensterln die umherziehenden bettler ohne die neujahrsgeiger fängt kein jahr gut an das blochziehen mit den furchterregenden gestalten die maiandachten wäre das nicht das radio und freddy quinn ohne das meer gesehen zu haben kennt er jene sehnsucht es kommt der tag da will man in die fremde denn der vater bekommt glänzende augen dort wo man lebt scheint alles viel zu klein und seine frau fährt ihm durchs haar und läßt ihn fährt ein weißes schiff nach hongkong summen sie weiß aufwachen aus seinen träumen wird er in ihren armen und er wird sie begehren der tod erst wird sie scheiden aber dann in weiter ferne hab ich sehnsucht nach zu haus und ich sag zu wind und wolken nehmt mich mit ich tausche gerne all die vielen fremden länder gegen eine heimfahrt aus und er füttert vergnügt seine kühe mäht seine wiesen stapft schwitzend hinter seinem pflug sät sein korn und geht am sonntag in seine kirche und sein bub hört ihn die alten schlager singen und pfeifen das war meine kindheit denkt er die träume der seeleute die sehnsucht der legionäre und die freiheit der matrosen

 

das kleine mädchen

wünscht sich ein märchen eines erfinden ist wohl die schönste form des schreibens es ist so viel dabei zu bedenken nicht mit dem kopf ein märchen muss im herzen ersonnen werden und du musst ein ganz bestimmtes mädchen vor augen haben und es nur für dieses mädchen schreiben ist das mädchen ein kleines freches rabenvieh dann musst du ein ernstes ein trauriges märchen in dir suchen ist es ein stilles mädchen dann nimm alle deine kräfte zusammen und gib sie seinem ebenbild und zeig ihm wie stark es sein kann aber nicht direkt märchen haben keine moralisierenden zeigefinger sie haben überhaupt keine moral von einem mädchen mit roten haaren von einem schielenden buben erzähl erwähn dass er eine zahnregulierung nötig hätte oder immer wieder vor angst in die hose macht erzähl dass auch stotternde mädchen und besonders zappelphilippinen die heldinnen der märchen sein können und hinter dem sarg nachgehen müssen in dem ihre mutter liegt die sich vor den zug geworfen hat weil ihr mann zu ihrer kindergärtnerin beate gezogen ist am offenen grab hat das kleine mädchen ihrer bleichen mutter versprochen die beiden wieder auseinander zu bringen und das war nicht bloß so hinversprochen es hat gleich am friedhof damit begonnen die kindergärtnerin beate aufs innigste zu lieben und zu ihr ab sofort mama zu sagen und hat den papa bestürmt und bedrängt die beate seine neue mama doch ins haus zu holen und wie glücklich es war hat sie den beiden deutlich gezeigt so einfach hatten sie es sich mit dem kleinen mädchen nicht vorgestellt verliebt wie sie waren merkten sie nicht dass das kleine mädchen täglich beim nachhauseweg von der freundin im friedhof beim muttergrab weinte und seine mama nicht vergessen hatte aber davon hatten wie gesagt der vater und seine beate wirklich keine ahnung als das mädchen einmal einen wirklich sehr schönen pulli seiner mama aus dem kleiderschrank holte und beate vorschlug ihn doch anzuziehen war beate ganz gerührt und sah in diesem vorschlag einen weiteren beweis dafür dass das kleine mädchen über den tod seiner mama hinweg sei und beate trug ihn ihm zuliebe eine zeitlang später deutete das mädchen an wie gut seiner neuen mama beate doch blond stehen würde und auch dieses wurde dem kleinen mädchen erfüllt so ging es weiter und binnen weniger wochen hatte das kleine mädchen die neue mama beate zu einer bis in die gesten und in den tonfall hinein perfekten nachbildung der verstorbenen mama gemacht wie schuppen fiel es dem mann von den augen als er eines abends beim fernsehen sie zu küssen versuchte und sie nicht jetzt liebling antwortete genau jene worte die ihn seinerzeit in die arme der kindergärtnerin getrieben hatten und da wirst du dann einbekennen müssen wie schwierig es ist ein märchen zu schreiben das auch gut ausgeht denn es hatte nun das kleine mädchen zwar seinen vater zurückerobert und eine böse stiefmutter ausgeschaltet aber weit und breit trabt kein prinz auf einem feurigen rappen heran und wie willst du sonst dein und wenn sie nicht gestorben sind anbringen


essays

Inhalt:

  • Wir ziehen zur Mutter der Gnade oder Von der Flucht aus dem irdischen Jammertal ins himmlische Jerusalem
  • Die Sprache hat wie der Wein einen Körper. Über die Leidenschaft des Lesens
  • Gegen den Strich kämmem – Lyrik heute

Wir ziehen zur Mutter der Gnade

oder

Von der Flucht aus dem irdischen Jammertal ins himmlische Jerusalem.

Wallfahrt!

Altes, mächtiges Bild für unser Dasein auf Erden.

Gleichnis insbesondere für den Christenmenschen,

der Pilger ist;

das heißt ein verbanntes Kind Evas,

 stolpernd über die Fluren und Äcker der Fremde.

Carl Amery, Die Wallfahrer

In meiner Heimat in der Oststeiermark wird am Florianisonntag nach Auffen ‘gebetet’. Voran das Vortragskreuz, strebt ein Häuflein Menschen, den Rosenkranz in Händen, dem Kirchlein zur Schmerzhaften Mutter zu. Die Waltersdorfer wiederum pilgern an Auffen vorbei nach Maria Fieberbründl, die Schönauer gehen auf den Kulm, die Kaindorfer auf den Pöllauberg und die Pinzgauer sollen es besonders merkwürdig treiben auf ihrer Wallfahrt nach St. Johann, wie das populäre Spottlied zu berichten weiß. Ein Netz sich überschneidender Wallfahrtswege überzieht unser Land. Fast jede Gemeinde, jede Pfarre hat ihre traditionelle Wallfahrt, die in letzter Zeit eingeführten ‘Fatimawallfahrten’ an jedem 13. stehen hier weniger im Blickpunkt, das sind eher prozessionsähnliche Abendveranstaltungen, die ihrer Kürze wegen kaum dem herkömmlichen Wallfahrtsbegriff entsprechen.

Wallfahrten werden oft in Notzeiten gelobt oder als Dank für eine wunderbare Fügung versprochen und die späteren Generationen führen sie mehr oder weniger getreulich aus.

Jede Wallfahrt hat ein Heiligtum als Ziel, nicht eine beliebige Kirche. Kirchen werden dort gebaut, wo sie gebraucht werden, Heiligtümer können nicht einfach erbaut werden, sie entstehen an ‘durchgescheuerten Stellen’: wo der Himmel besonders deutlich durchscheint. In den Ursprungslegenden der Wallfahrtsorte wird oft von einer Hierophanie berichtet, d.h. ein göttliches Wesen zeigte sich den Menschen an diesem Ort, ein Kultbild, eine heilende Quelle udgl wird entdeckt oder der Ort ist mit einer heiligen Person verbunden, die Reliquien von heiligen Frauen oder Männern sind Ziel von Pilgerfahrten, oft gibt es eine über das Christentum hinausreichende Kulttradition, in unseren Landen wurden Marienkirchen über alte Isisheiligtümer gebaut, nicht zufällig ist unser anheimelndstes Kultbild die Madonna mit dem Kind, Isis mit dem Osiris auf dem Schoß ist unzweifelhaft das Vorbild dafür.

Wallfahrten werden aus vielerlei Gründen unternommen, für gedeihliches Wachstum in Haus und Hof, Gesundheit, um Buße zu tun, oder um einen Ehemann zu finden: da rutscht manch ein Mädchen bei der Wallfahrt nach Mariazell zum Gaudium der Pilgerschar auch heute noch über den Heiratsstein, wenn es auch noch so beteuert, nicht daran zu glauben, vollzieht es doch diesen alten Fruchtbarkeitsritus. In Fieberbründl benetzen sich die Menschen die Augen, das Wasser soll Augenleiden lindern, in Rom ist die große rechte Zehe des Apostels Petrus plattgeküsst, in Tschenstochau wird der Madonna eine Siesta eingeräumt, zu Mittag geht der Vorhang vor dem Bild der schwarzen Madonna zu, in Santiago di Compostela stecken Pilgersfrau und -mann ihre Hände in die Rachen der beiden Löwen am Fuße der Statue des hl. Jakobus zum Zeichen der endgültigen Gewissheit, am Ziel zu sein. Für die kleinen Anliegen tuts unser Leonhard auch, sagen sie Murauer, für die großen Nöte muß man schon zum Leonhard in Tamsweg wallfahren, so der Mesner dieses Lungauer Heiligtums.

In der griechisch/römischen Religion war die via sacra der Inbegriff des Pilgerweges. Von Samos/Pythagorio zum Heraion, von Milet nach Didyma, um nur zwei solcher eindrucksvoller und heute noch nachvollziehbarer Wege zu nennen, zogen die Menschen, gesäumt von Grabdenkmälern und Statuen der Götter und Heroen, über die heilige Straße zum Wohnsitz der Göttin oder des Gottes. Und, man wird es zugestehen müssen, der Unterschied in Einstellung und Motivation der Pilgerschaft dürfte zwischen gestern und heute nicht gravierend verschieden sein.

Die größten Pilgerscharen ziehen zum Ganges und nach Benares, in Gruppen oder einzeln ziehen sie singend dahin; denn wenn sie singen, bleiben sie auch inmitten der Menge mit Gott verbunden. Das Singen des Gottesnamens ist eine Kontemplationsform wie das Jesusgebet, jeder Schritt, jeder Atemzug wird mit einem Gottesnamen verbunden. Für Hindus ist das Lebem insgesamt eine Wallfahrt. Sie wollen ‘sehen’: nicht im Sinne des sight-seeings, sie wollen Benares sehen, weil es der thirtha ist, der Übergangsort, wo sich die Götter zeigen.

Dreimal im Jahr sollte der jüdische Mann nach Jerusalem hinauf pilgern, an Pesach, Schabuot und Sukkot, Freudenfeste allesamt. „Nächstes Jahr in Jerusalem“ ist über die Zeiten hinweg und durch die zionistische Bewegung insbesonders zum Sehnsuchtsgruß des jüdischen Volkes geworden. Aber auch die Christen stimmen aus anderen Motiven in diesen Ruf ein, die Völkerwallfahrt zum Berg Zion wurde zu einem diese zwei Religionen umgreifenden Symbol der Heimkunft aus der Zerstreuung.

Der Weg nach Mekka ist im Islam die fünfte Pflicht, einmal im Leben ist derhadjj zu absolvieren und jeder Muslim darf fortan den Titel al-hadjj seinem Namen beifügen, was Karl May-Leserinnen und -Leser ohnehin wissen.

An der Wiege des Christentums stehen die Magier unter einem guten Stern als die ersten Wallfahrer, als die Vorbilder für alle religiös Suchenden

Das Christentum verbreitete sich durch Wanderprediger, es ist eine Religion zu Fuß, in alle Welt ziehen die Missionare und bringen die Botschaft bis an die Grenzen der Erde. Von Anfang an war daher der Wunsch der Christen, jene Orte aufzusuchen, an denen Jesus gelebt und gewirkt hat, es war der Wunsch, ins Zentrum des Geschehens zu reisen, dorthin, wo sich die die Wunder ereignet haben. Spätestens mit dem Reisebericht der PilgerinEgeria (vermutlich im 4. Jahrhundert) ist neben der Feier des Kirchenjahres, in dem das Leben Jesu in einem Jahrlauf ‘nachgeahmt’ wird, der Besuch der Heiligen Stätten eine weitere Möglichkeit, sich an Ort und Stelle die Ereignisse zu vergegenwärtigen. Die Wallfahrt wird dadurch aber auch zu einer Art Grenzerfahrung: das bisherige Leben wird verlassen, durch die Mühen und Beschwernisse der Reise, einer Leidens- und Passionserfahrung, hindurch gelangt man zur Auferstehung.

Neben Jerusalem als dem ersten und wichtigsten Pilgerziel und Rom als Begräbnisstätte der Apostel Petrus und Paulus wird ‘am Ende der Welt’, im Nordwesten Spaniens, Santiago de Compostela der Wallfahrtsort des Mittelalters. Jakobus der Ältere der Sohn des Zebedäus der um 44 als erster der Apostel den Märtyrertod erlitten hat, soll der Legende nach in Spanien gepredigt haben, sein Leichnam kam später auf wundersame Weise nach Santiago. Jakobus wird zum Inbegriff des Wanderers, die Wallfahrt nach Santiago wird im Mittelalter das Äqivalent zum hadjj und Jakobus als der metamauros, der Maurentöter, wird zum Inbild des Kampfes gegen den Islam.

Der Entschluss zu einer Wallfahrt passiert zuerst einmal im Kopf – meist lange Zeit vor dem tatsächlichen Aufbruch ist es ein Traum. Heutzutage ist es zumeist nicht Gottes direkte Stimme wie bei Abraham; ihm befiehlt der Ruf Gottes in ein Land zu ziehen das er ihm zeigen werde (Gen 12,1). Auch Engel, die einem wie Josef im Traum befehlen, sind selten geworden.

Wallende, wie der altertümlich Ausdruck lautet, tragen die Sehnsüchte des ganzen Lebens und alle unerfüllten Kindheitsträume im Rucksack mit, für weiteres Gepäck bleibt meist nicht viel Platz.

Pilger, das Wort kommt vom lateinischen peregrinus – der Fremde, der aus seiner Heimat Aufgebrochene. Im Mittelalter war diese Pilgerschaft nicht immer freiwillig, gar manchem wurde als Buße für seine Verfehlungen die Wallfahrt nach Compostela oder einem anderen Heiligtum ‘aufgebrummt’ und dementsprechend war wohl auch die Einstellung solcher Menschen, die nicht aus edlen Motiven, sondern gezwungenermaßen unterwegs waren. Pilgersein bedeutete immer Not und Entbehrungen auf unwirtlichen Straßen aushalten. Diese mittelalterlichen Wallfahrten haben mit den in den letzten Jahren wieder groß in Mode gekommenen Fußwallfahrten nach Santiago, Mariazell usw. nicht mehr viel gemeinsam. Ein gut ausgebautes, markiertes Wegenetz, Herbergen aller Preisklassen, leichte, zweckmäßige Kleidung machen Fußreisen zwar nicht zum Vergnügen, es ist immer noch ein entbehrungsreiches Unterfangen, aber Gefahr für Leib und Leben besteht kaum noch. Vor allem haben sich die Motive geändert: für viele ist es ein Ausstieg aus dem beruflichen Trott, eine ‘Auszeit’, in der eine Besinnung möglich ist, für andere wieder kann eine längere Wallfahrt auch eine Flucht vor ungelösten Problemen sein; Heute ist sie sehr oft eine Art Selbsterfahrungstrip, ein Test der körperlichen Leistungsfähigkeit, viele Gründe spielen beim Entschluss, eine solche Reise anzutreten, mit. So sind sog. Orte der Kraft (Berge, Wüsten, Quellen, Bäume, Wunder der Natur insgesamt aber auch Bauwerke älterer Kulturen), an denen viele Menschen ihre Verbundenheit mit dem ganzen Kosmos besonders deutlich spüren, Ausdruck dieses religiösen Suchens. Die Kirchen sind ja längst nicht mehr die alleinigen Vertreter und Hüter von Religion. Wenn Wallfahrt so etwas wie das Pilgern zum Glaubenszentrum ist, dann sind die verschiedenen Wallfahrtsziele Signale dafür, dass die Menschen Kontakt zum Wunderbaren, zum Heiligen nicht nur dort suchen, wo Priester und Religionsvertreter hinweisen. Das war übrigens auch in der Vergangenheit so, oben wurde bereits darauf hingewiesen: die alten vorchristlichen Heiligtümer ließen sich die Menschen nicht aus den Herzen reissen. ‘Eingefleischt’ waren die Wege dorthin, es blieb oft nichts übrig, als diese alten Kultorte ‘zu taufen’ um nicht deswegen mit den Gläubigen in Konflikt zu geraten. So sind Wallfahrtsorte auch immer ein Ausdruck einer ‘Volkstheologie’, die sich in bestimmten Glaubensfragen selbständig gemacht hat. Der Großteil der christlichen Wallfahrtsorte sind der Madonna geweiht. Das ist wohl auch ein stiller Protest gegen ausschließlich männliche Gottesbilder im Christentum, die uralte Sehnsucht nach der Großen Mutter und Göttin wird mit Maria besetzt und das kirchliche Lehramt kann wettern und protestieren soviel es will.

Wallfahrt hat auch zu tun mit einer negativen Sicht der Welt, die als Jammertal erlebt wird. Wenn Pilgerinnen und Pilger nach oft monatelanger Reise die porta gloriosa in Santiago durchschreiten, treten sie in ein Abbild des himmlischen Jerusalem, wenn die Wallfahrer in Vierzehnheiligen in Franken vor dem Eintritt um die Basilika ziehen, so tun sie dies aus einem Gefühl der notwendigen allerletzten Bereitung der Herzen für die Begegnung mit dem Heiligen, von dem Heilung und Heil in besonderem Maße erwartet werden.

Der Wunderglaube gehört zum Wallfahrtswesen wie das Andenken und das Mitbringsel, Wallfahrtsorte sind für Puristen und Ästheten ein Greuel: Kitsch und Aberglaube geben sich ein dauerndes Stelldichein, manche Eiferer wünschen sich den Jesus mit einer siebenschwänzigen Geißel herbei, mit der er die Händler vertreiben möge. Was aber wäre ein Wallfahrtsort ohne diese Stände und Märkte? Abgesehen von der Tatsache, dass heutzutage kein Fußballverein, kein Popkonzert, kein Museum ohne diese Art der Verhökerung von Andenken auskommt: es wird nur anders genannt: wer denkt bei merchandising an Wallfahrtsandenken? Es gehört zu den unausrottbaren Bedürfnissen der Menschen, eine Erinnerung, eine Reliquie vom Gnadenort mitzubringen. Damit im Alltag ein wenig vom Glanz des Heiligtums erinnert werden kann.

Die Formen der Wallfahrt ändern sich, Bus und Flugzeug haben Transportaufgaben übernommen, Bußetun ist in den Hintergrund gerückt, die Selbsterfahrung hat sich den verschiedensten anderen Motiven zugesellt, aus der Einkehr ist ein religiöser event geworden, weil aber die Menschen innerhalb einiger Jahrtausende sich nicht gravierend ändern, stehen wir in einer ehrfurchtsgebietenden Wallfahrtstradition, die zu den großen Kulturleistungen der Menschen gehört.

(1998) Wir ziehen zur Mutter der Gnade. Von der Flucht aus dem Jammertal ins himmlische Jerusalem in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 18. Jg., Nr. 2, Juni 1998, 9-11;

Die Sprache hat wie der Wein einen Körper.

Über die Leidenschaft des Lesens.

Eine männlich-aphoristische Annäherung

Sprache der Liebenden

sei die Sprache des Landes

F.Hölderlin

Das Lesen ist etwas Mysteriöses, die Augen folgen den kleinen Buchstaben, ein Fuchs, der schnüffelnd einer Fährte  nachspürt. Stäbchen waren die Buchstaben einst, mit aufgemalten oder eingeritzten Zeichen. Hübsch ist die volksetymologische Erklärung von der Buche als dem ursprünglichen Material, auf dem geschrieben worden sei, die ein Gang durch die Wälder der Verliebten immer wieder zu bestätigen scheint:

in dich

bin ich eingeritzt

herz und pfeil

die narben

blindenschrift auf deiner haut

erzählen von mir

du bibel

voller erinnerungen

ans paradies

Zerflossen ist die Schrift im Laufe der Jahre und mitgewachsen in die Höhe, wie die Zeit vergeht, die nachdenklichen Seufzer, die Versprechungen, die Schwüre, was ist aus ihnen geworden, die Umarmungen, die Küsse und das Wort ist Fleisch geworden.

Lesen entlarvt verwirrt beanstandet entblößt beargwöhnt verniedlicht beäugt entehrt verpfuscht bedroht entfesselt verplempert beeindruckt entflammt befingert verrenkt entfremdet täuscht befummelt beglückt verroht entgottet beheimatet verschandelt enthüllt behelligt schwängert verscheucht enthusiasmiert verschleiert bekehrt entkleidet verschmutzt belästigt entkräftet verschult beleidigt elektrisiert verschüttet foltert beleuchtet heilt verdirbt bemäntelt beflügelt verklärt tötet besamt vergrault betäubt erregt verkrampft bescheißt verkuppelt entlaust beschummelt beschützt beschwingt verteufelt bespringt erhitzt lähmt vermasselt entledigt vermiest entleibt vermint entlockt vermurt entmündigt vernagelt entmythologisiert vernebelt nährt verhext infiziert verdummt läutert verwundet fanatisiert verhütet dämonisiert vergewaltigt entnazifiziert enträtselt vergrätzt begeistert verbrennt zerstört verzaubert. Auch bilden soll es. Wie langweilig.

Die Briefleserin von Jan Vermeer van Delft (1632 – 1675)

Eine Schwangere liest einen Brief. Genauer das Bild zu beschreiben, ist hier nicht der Ort. Sie, die einen Mann erkannte und von ihm erkannt wurde, liest, so darf wohl angenommen werden, den Brief des in der Ferne weilenden geliebten Mannes. Im Lesen ist er anwesend, sie hört ihn sprechen, lachen, spürt ganz körperlich seine Sehnsucht nach ihr, erinnert sein ungeduldiges Drängen hinter den liebevollen Worten, dem Auftrag, dem er nachkommen mußte, flucht er, zählt die Tage der Trennung, flüstert ihr Intimes ins Ohr, er fragt nach ihrem Wohle, besorgt wohl ein wenig und ergeht sich in Vermutungen, ob es ein Bub oder ein Mädchen werde. Geliebt, geborgen, ganz Frau ist sie in diesen Minuten des Lesens, seine Andeutungen wärmen sie, seine fahrige Schrift erscheint ihr liebenswert wie die unbeholfene Zärtlichkeit seiner Hände, die sie so sehr herbeisehnt:

ich schreibe dich

in mein herz

lausche den Geschichten

aus jungmädchentagen

ahne das lustige kind

hinter ernsthaften gebärden

erinnere schlaftrunkene körperwärme

morgentaublicke heublumenhaar

male mir auf vergilbten fotos

deine liebe aus

sehe dich älter werden

an der größe der kinder

kritzle schmetterlingsflügel

um sorgsam verheimlichte falten

verziere mit dem klang deiner stimme

die gesten tröstender hände

wort für wort

buchstabiere ich dich

zwischen den zeilen

lese ich mich*)

Du kleine Handvoll Buch. Liebesgedichte in feinstem Leder, mit rotem Bändchen, wie ich dich liebe, weißt du nicht, du wunderlichstes Buch der Bücher, aufmerksam hab‘ ich’s gelesen: wenig Blätter Freuden, ganze Hefte Leiden.**

Eine Diskette, eine Videokassette werd ich nie gernhaben können. Wie oft aber hab ich schon liebevoll und behutsam ein Buch in die Hand genommen, es zärtlich betrachtet, versonnen schon beim Lesen des Titels die schönsten Stellen erinnert, mich an der bibliophilen Ausstattung erfreut, die Spuren des Alters diskret übersehend, hab ich an meinen aufmerksamen Unterstreichungen und Notizen – merken heißt ja kennzeichnen – mich wiedererkannt oder mich über meine bleiernen Bemerkungen gewundert. An den Büchern kann ein Mann erkennen, wie viele Geliebte er haben möchte, wie viele Seiten er entdecken und lesen könnte.

Die Geschichte von dem Manne ist zu erzählen, der täglich von seiner fernen Geliebten einen Brief bekam. Eine getreue Chronistin war sie, berichtete ihm von der von ihr ersonnenen Anleitung zum Basteln eines Hampelmannes, erzählte ihm haargenau die Kuschelgeschichte für ihre Daumenlutscher – wir haben es mit einer Krankenschwester auf einer Kinderstation zu tun – trug ihm ihre diffizilen Überlegungen von der Kombination des preisgünstigen Einkaufens mit dem Erwerb möglichst naturnaher Lebensmittel vor, vertraute ihm ihre Zweifel an ob der Ungespritztheit der Äpfel, die sie von einem Bauern erwarb und verschonte ihn auch nicht vor der Gebrauchsanweisung zum Färben ihrer Haare mit Henna. In jedem Brief aber kam sie auf einen ihrer Körperteile zu sprechen, erst so nebenhin, bald aber ermuntert, ja aufgefordert von ihrem Geliebten. Ihren schwanengleichen Hals,ihr loreleymäßiges Haar, ihre himbeerfarbenen Brustwarzen beschrieb sie ihm ausführlich, ihre züngelnde Zunge ein andermal, ihre schlanken Beine – wir wollen über ihre abgegriffenen Vergleiche und schmückenden Beiwörter taktvoll hinwegsehen – die nach streichelnden Liebkosungen hungrige Haut, ihre ozeanischen Augen verstand sie ihm begehrenswert zu beschreiben, ihren pulsierenden Venushügel nicht weniger detailreich. Der arme Mann verzehrte sich vor Sehnsucht und ermunterte sie zu offenherziger Preisgabe der bis dahin sorgsam gehüteten intimen Bezirke ihres Körpers. Bald waren ihm die bloßen Schilderungen zu wenig Anregung, er bat sie, dies und jenes zu versuchen, sich in Experimenten zu ergehen und ihm die Wirkungen und Empfindungen dabei ausführlich zu protokollieren, bis er, immer fordernder werdend, ihre Gedanken bis in die kleinsten Regungen für sich beanspruchte. Die Frau begann erst unmerklich zu kränkeln, entschuldigte sich bald wegen häufiger Unpäßlichkeiten, bleich und ausgezehrt erschien sie ihrer Umgebung, wegen andauernder Schwächeanfälle mußte sie nach geraumer Zeit ihren Dienst in der Klinik aufgeben, apathisch dämmerte sie schließlich ihrem gänzlichen Verfalle entgegen. Wir können wohl nicht umhin zu bemerken, daß es der Postbote war, der sie Brief für Brief dem unersättlichen Manne zugetragen hatte, bis nichts mehr von ihr blieb denn ein Häufchen Elend.

Mein Haupt bette ich auf deine Briefe bis sie zerbröseln.

Ein nasses Höschen oder eine Erektion sind weniger Erweis für die erotisierenden Wirkung der Sprache als die spontane Heilung durch einen Außerordentlichen:

sein sturmwort bläht

das in sich gesunkene seelenzelt

gestocktes blut wallt auf

kaskaden sprühender fontänen

zeugen einen regenbogen

über die berstenden angstmauern

springt der erlöste mensch

Fred Feuerstein meißelt für Wilma seine Liebesschwüre auf Granit für immer und ewig. Ich brauch nur das Speichern zu vergessen oder ich stoße an die Ausschalttaste meines Laptops, schon ist es geschehen, die Liebe geht ihrer Wege.

Ungewollt schwängern dich Worte und Bilder. In ein Kondom eingesackt schwämmst du am besten durch des Zeitgeists Fluten, keine unfruchtbaren Tage gibt es, keine Menopause und aufpassen nützt nichts.

Das Kleingedruckte lesen sie meist nicht, unterschreiben die Verträge in ihrer schönsten Sonntagsschrift, die Sonderangebote locken, das schöne Geschenkspapier blendet, nicht umsonst spricht man von Mogelpackungen und so manch einfältig liebend Paar kennt nicht einmal die Gebrauchsanweisung.

Segen und Fluch, die magische Kraft des Wortes: was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben, basta.

______________________________

*) Karl Mittlinger, unter dem eis überleben die fische, Styria 1989, S. 20;

**)Wie ich dich liebe, weißt du nicht, Liebesgedichte, Fretz & Wasmuth, Zürich 1987.: Elise Oelsner S.7; Buch der Liebe von J.W.von Goethe, S.9;

(1993) Die Sprache hat wie der Wein einen Körper. Über die Leidenschaft des Lesens. Eine männlich-aphoristische Annäherung in: bakeb informationen, Bundesarbeitsgemeinschaft für Kath. Erwachsenenbildung in Österreich 4/93, 21-23;

Gegen den Strich kämmen  

Lyrik heute 

Über den Satz, dass man nach Auschwitz keine Gedichte mehr schreiben könne (Theodor W. Adorno), darf man sich nicht hinwegschwindeln, will man nach der Shoa über Lyrik nachdenken. Natürlich wurden nach 1945 Gedichte geschrieben und die Gedichte von Nelly Sachs, Paul Celan, Marie Luise Kaschnitz, Ingeborg Bachmann, Christine Lavant, Rose Ausländer, Reiner Kunze, Ilse Aichinger, Hans Magnus Enzensberger, Ernst Jandl … um nur einige zu nennen, gehören zu den wichtigsten kulturellen Gütern unserer Zeit, aber auch Brigitte Oleschinski, Norbert Hummelt, und Oswald Egger … gehören gelesen, auch wenn es vielleicht mit einmal Lesen nicht getan ist. Adorno ist wohl so zu interpretieren, dass sich die Welt nach dem Grauen des nationalsozialistischen Terrors nicht mehr reimt. Ein Grundverdacht gegen die Lyrik regt sich aber schon viel früher, Heinrich Heine schreibt in seinem Vorwort zum Buch der Lieder: Es will mich bedünken, als sei in schönen Versen allzu viel gelogen worden, und die Wahrheit scheue sich in metrischen Gewanden zu erscheinen. (Peter von Matt, Die verdächtige Pracht, 37)

Was Lyrik wirklich ist, lässt sich nicht in einen einfachen Satz fassen. Waren ursprünglich Texte gemeint, die zur Lyra gesungen wurden, so trat in der Romantik das verinnerlichende Empfinden von äußerer Wirklichkeit in den Mittelpunkt. Reim, Versmaß, Strophe, Verdichtung, Metapher waren die wichtigsten Elemente. Zeitgenössische Gedichte leben von den Bildern und den Anspielungen, von der visiblen Struktur, vom Rhythmus. Kaum mehr vom Reim.

Zu einfach machen es sich jene, die wie ehedem ihre individuellen Empfindungen angesichts der Jahreszeiten in Reime gießen, gewogen und zu leicht befunden wird das rückwärts gewandte Trauern um eine gute alte Zeit. Auf die Gedichte in Mundart möchte ich nicht eingehen, zu leicht gerät hier die Auseinandersetzung damit in ein Lächerlichmachen.

Kunstwerke entbergen ein Stück Wahrheit, entreißen es dem Fluss des Vergessens, wie dies das griechische Wort für Wahrheit (aletheia) nahe legt.

Gedichte wollten in der Vergangenheit schön sein. Schönsein allein aber genügt nicht mehr, oder es genügt schon, wenn es in der tieferen Bedeutung Schönes gar nicht gibt, das nicht auch wahr ist.

Wahrheit aber ist nicht immer schön, das ist die Krise des Gedichtes oder die Krise jener, die Gedichte so lesen wollen, wie sie gelesen wurden in den Zeiten vor dem Blick in den Abgrund.

Dass es gesagt sei: Gedichte sollen geschrieben werden, weil sie gut geeignet sind, innere Stimmungen auszudrücken. Aber sie mögen dann in die Schreibtischlade gesperrt werden, wenn sie der menschlichen Gemeinschaft nichts Neues zu vermelden haben. Dass die Gesetze des Marktes die Lyrik aus den Buchhandlungen gefegt haben, liegt zum großen Teil auch daran, dass sie gewogen und die Mehrheit für zu leicht gefunden wurde.

Eine Ingeborg Bachmann würde auch heute entdeckt werden.

Dass Gedichte heute auf Unverständnis stoßen, liegt oftmals daran, dass sie sich hermetisch geben, dass sie nur von Menschen verstanden werden, die zu den Bildern und auch zu Bildung im klassischen Sinn Zugang haben. Das ist aber nicht anders als in der Malerei der Barockzeit, hier sieht man Frauen, Männer und irgendwelche Fabelwesen abgebildet, wer die darin verborgenen Götter- und Heldengeschichten und die damit verbundenen Allegorien nicht kennt, vermag vielleicht schöne, üppige Nackte und waffenstarrende Muskelmänner zu entziffern, einen Zugang zu diesen „Schinken“ bleibt verwehrt.

Romane beschreiben bis in die kleinsten Regungen, entwerfen Seelengemälde und versuchen die Geheimnisse des Lebens so darzustellen, dass in den Lesenden Filme ablaufen. Gedichte verkürzen auf das Wesentliche, kleiden es in ein Bild.

Der Sukkus eines Romans lässt sich in einem einzigen Satz, den eine Romanfigur vielleicht so nebenbei sagt, darstellen. „Bist du glücklich, fragt er sie. Ich zähle die Abschiede zusammen, antwortet sie und ihre Augen füllen sich mit Tränen“.

Ich zähle die Abschiede

auf deine Frage

ob ich glücklich bin.

So würde möglicherweise in einem Gedicht diese Frage beantwortet werden, ohne die Tränen in den Augen, denn Lyrik möchte viel offen lassen, möchte die Lesenden in die Antwort auf die Frage einbeziehen.

Genau genommen ist die Lyrik die literarische Gattung der Gegenwart. Das Erzählen ist zu langatmig in einer Zeit, in der die Beiträge in den Medien immer kürzer werden – müssen, die Verantwortlichen meinen den Konsumenten nicht mehr als eine dreiviertel Minute zumuten zu können, auch diese womöglich noch mit Musik untermalt und durch Bilder aufgefettet. Aber es gibt einen Haken dabei: Lyrik will nicht erklären, Lyrik will sich in unserer Hirngeografie im großen Bilderozean tummeln.

Aber weit besser als theoretisch darüber zu philosophieren, ist ein Gedicht vorzustellen, das sich mit dem Schaffen eines Gedichtes beschäftigt:

Ein Gedicht

Ein Gedicht, aus Worten gemacht.

Wo kommen die Worte her?

Aus den Fugen wie Asseln,

Aus dem Maistrauch wie Blüten,

Aus dem Feuer wie Pfiffe,

Was mir zufällt, nehm ich

Es zu kämmen gegen den Strich,

Es zu paaren widernatürlich,

Es nackt zu scheren,

In Lauge zu waschen

Mein Wort.

Meine Taube, mein Fremdling,

Von den Lippen zerrissen,

Vom Atem gestoßen,

In den Flugsand geschrieben

Mit meinesgleichen

Mit seinesgleichen

Zeile für Zeile,

Meine eigene Wüste

Zeile für Zeile

Mein Paradies.

(Marie Luise von Kaschnitz, aus dem Sammelband „Überallnie“)

Ich meine, es wäre schade, darüber viele Worte zu machen, so entstehen Gedichte, aus einem Einfall, einer Eingebung, aus kreativem Umgang mit dem Einfall, verbunden mit handwerklichem Können (6-5-4-2-4, die Anzahl der Verse in den Strophen), vielleicht meint die Taube den Geist, der über den Wassern schwebt oder sich ausgießt über die Poetin.

Lyrik erschließt sich nicht unbedingt jenen, die sie verstehen wollen. Sie will umworben, immer wieder gehört, gelesen auch auswendig gelernt werden. Gleichsam von selbst wird sich die Spreu vom Weizen trennen und einige Gedichte werden bleiben und getreu durchs Leben begleiten. Es lohnt sich, die Suche zu beginnen oder fortzusetzen!

(2006)

theologische reflexionen

 

 

(10. Jänner 2021)

 Flucht in die Virtualität

Ich habe mir den Dreikönigsgottesdienst mit Bischof Krautwaschl in ORF III angesehen und kam ins Grübeln. Natürlich ist diese Form der Coronaepidemie geschuldet, ich spüre aber eine Tendenz, an dieser virtuellen Form Gefallen zu finden – nicht als Notmaßnahme und nicht für Alte und Kranke, die in dieser Form den Faden nicht verlieren wollen, dagegen will ich natürlich nichts sagen: diese virtuellen Gottesdienste fokussieren auf das Tun des Priesters und insinuieren, das sei das Wesen einer Eucharistiefeier. Mitnichten, wenn wir uns ein bisschen näher mit dem Entstehen des Rituals der Abendmahlsfeier beschäftigen. Die Urgemeinde wollte dem Impuls Mt 18, 20 „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ folgen und versammelte sich am Sonntag in den Häusern, die gastgebenden Hausleute und auch vazierende Frauen und Männer, die sich besonders um die Verbreitung der Jesusbotschaft verpflichtet fühlten, erinnerten  beim „Liebesmahl“, dem „Brotbrechen“, an die Worte, die Jesus ihnen mitgegeben hatte und in diesem Geist aßen sie das herumgereichte Brot und tranken aus dem Becher den Wein. Jesus war mitten unter ihnen. Aus dieser Energie heraus gestalteten sie ihr Leben als Christinnen und Christen, wie sie alsbald genannt wurden. Bei den Videogottesdiensten fehlt die versammelte Gemeinde um den Tisch herum, diese geht uns umso weniger ab, als wir ohnehin in die Bänke verbannt und längst in die Rolle der Zuschauenden gedrängt sind, wenngleich durch die Liturgiereformen des 20. Jahrhunderts hier versucht wurde, das zu verändern. Der Höhepunkt dieser virtuellen Form ist durch die Pandemie bedingt, das Austeilen des Brotes überhaupt auszusetzen. Ja, wozu dann denn diese ganze Feier, wenn das, worauf es ankommt, nicht stattfinden kann. Dann ist diese sog. Eucharistiefeier ein schönes Schauspiel mit einem Priester in der Hauptrolle – und das war es dann auch schon. Dann geht man vielleicht am Nachmittag in die Kirche, weil dann die Begegnung mit anderen Menschen verhindert werden kann und betet das heilige Brot im Tabernakel an. Wir sind nahe am Verehren der Hera im Keuschlammstrauch im Heraion auf Samos, um irgendeine heilige Handlung im religiösen Kontext zu assoziieren. Tendenz: körperlose und virtuelle Gottes/Göttinnenverehrung ohne sozialen Bezug. Und gerade der soziale Bezug macht das Christentum.

Wäre nicht der richtigere Weg angesichts der Notlage, die eucharistischen Rituale näher in die Familien zu ziehen, auch in die Kleinfamilien, die Eltern erinnern an das Urereignis und brechen miteinander das Brot, ich weiß natürlich auch, dass dies eine totale Überforderung ist, aber können nicht noch immer (!) engagierte Frauen und Männer in den Gemeinden eingeführt werden in diese Feiern von Hauskirchen, die wohl bald zu den sonntäglichen (weil wir ja auch jüdisch denken, auch in die samstagabendlichen) Höhepunkten des Glaubenslebens gehören könnten und die elende „Sonntagspflicht“ obsolet machen würden. Die Feiern im Rahmen des Kirchenjahres müssten dabei weiterhin zu den Eckpunkten des Gemeindelebens rund um die Pfarrkirchen bleiben, könnten mit weniger Kraftanstrengung gelöster in der Pfarrgemeinde (oder welche Form der Zugehörigkeit immer gedacht wird) stattfinden.

Der Versuchung, diese virtuellen Gottesdienste könnten uns weiterführen, kann bildhaft entgegen gehalten werden, dass Taufen im Fernsehen ein absolutes No-Go sind, weil hier der sakramentale Charakter sinnenfällig zutage tritt, der uns beim eucharistischen Brot (in dieser abstrahierten Form einer Oblate) schon durch die Bezeichnung „Altarssakrament“ abhanden gekommen ist.

Richtungsänderung ist angesagt! Ich weiß, dass meine Gedanken keineswegs neu sind, ich äußere sie trotzdem.

Liebe Freundinnen und Freunde der Grenzgespräche,

zu meinem Beitrag „Flucht in die Virtualität“ sind erfreulich viele Reaktionen eingetroffen, dem Sinn einer virtuellen Diskussion entsprechend, Reaktionen, die ich weitergeben möchte, damit sie in ein weiteres „Gespräch“ einfließen können.

Die Emails wenden sich an mich, ich habe sie anonymisiert und jene Teile weggelassen, die nicht zum Thema gehören, damit keine Missverständnisse auftreten oder Verdächtigungen in die Welt gesetzt werden.

I.

Lieber Karl… steht an den meisten Emails als Anrede…

***

1

… Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Konzentration auf den Priester (=Darsteller) ist ein alter Makel und wenn das auch noch virtuell ist, wird es noch brisanter. Abgesehen von diesen Gefahren im Zuge der Pandemie weiter viele Leute als „Kirchgänger“ zu verlieren, wirfst Du natürlich die Frage auf, ob es überhaupt eines Geistlichen bedarf. Meines Wissens nach haben bereits Pico von Mirandola und auch Luther die Auffassung vertreten, der Mensch könne mit Gott(Göttin) direkt in Verbindung treten. Das unterstütze ich zu 100 Prozent.

Die andere Seite ist die soziale Begegnung, die virtuell nur sehr begrenzt möglich ist. Wenn wir uns vergegenwärtigen, welchen festen Halt Menschen in Kriegszeiten oder während Pestepidemien fanden und ein „Urvertrauen“ auf Gott ihnen Hilfe war, lässt sich erahnen, dass der überwiegende Teil der Menschen (zumindest in unseren Breiten) eine Sehnsucht nach etwas „Göttlichem“ hat, die irgendwie gestillt werden muss. Dazu bekenne ich mich auch gerne persönlich.

Für mich selbst ist der Messbesuch in den letzten Jahren zunehmend bedeutungslos geworden. Ich kann keinen Sinn darin finden, in den Kirchenbänken zu sitzen und Gebete mitzumurmeln, die mich weder ansprechen noch überzeugen.  Zunehmend stören mich auch die im Prinzip grausamen Fresken und Heiligendarstellungen, die mich umgeben. Die Vorstellung einer Kirche als „Folterkammer“ ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen. Und an die Transsubstantiationslehre und die Auferstehungsgeschichte kann ich (leider?) nicht mehr glauben, anders gesagt, darauf kann ich nicht mehr vertrauen.

Worauf ich hinaus will: Um mich „als Teil eines großen Ganzen“ zu fühlen, bedarf ich nicht jedes 7. Tages eines erstarrten Rituals samt einer häufigen Moralkeule in der Predigt. Wobei die Predigt oft noch der „beste“ teil des Gottesdienstes ist. Die Begegnung mit anderen Menschen, das Erleben von Gemeinschaft und das „Empfinden“, dass andere Menschen mit mir mit einem göttlichen Prinzip verbunden sein können, möchte ich nicht missen.

***

2

… ich bin nicht eher dazu gekommen, auf deinen Diskussionsbeitrag über die virtuellen „Messen“ zu reagieren. Denn ich möchte dir sagen, dass du mir ganz aus der Seele sprichst und damit auch einen neuralgischen Punkt in unserer Eucharistiepraxis ansprichst. Je kleiner die Gottesdienstgemeinde wird, desto mehr scheint sich der alte Opfercharakter „der Messe“ in den Vordergrund zu schieben und wird zunehmend zu einer Belastung unserer Priester – das erlebe ich Woche für Woche in unserer Pfarre. Mit den virtuellen Gottesdiensten sind wir beim alten „Beiwohnen“ angelangt.

Was deine Alternativen anlangt – Familien und Hausrunden – gibt es allerdings auch Probleme:

Erstens können wir sie gerade im Lockdown nicht durchführen.

Zweitens: Unsere Gottesdienstgemeinden werden immer kleiner, die Strukturen hingegen werden immer weiter ausgedehnt. Wenn wir den Sonntag in kleine Hauskirchen auflösen, bleibt von der „Gemeinde“, von der ich immer noch viel halte, nichts mehr übrig.

Ich feiere seit zweieinhalb Jahren kursorisch einmal im Monat den Sonntagsgottesdienst in Form einer Wortgottesfeier. Es hat sich gut eingespielt und wird bis auf eine Handvoll Kommuniontouristen erstaunlich gut angenommen. Da stößt mir z.B. sauer auf, dass es für Eucharistiefeiern eine Fegefeuer-Intention gibt, für die Wortgottesfeier eine Gedächtnis-Intention aber nicht erlaubt ist.

 

Deine Gedanken haben mich sehr bewegt. vielleicht können nach dem Lockdown damit weitermachen, damit wir nicht in die alte Normalität zurückfallen. Aber ich fürchte, wir haben inzwischen die Interessenten verloren.

***

3

… Danke für deinen Beitrag!

Ich sehe es auf jeden Fall als Problem, wenn die Kirche die (realen) Gottesdienste
total aussetzt, was angeblich in den Nachbarländern nicht der Fall ist.
Die 10 Quadratmeter-Regelung, die es einmal gegeben hat, und eventuell Anmeldung,
wäre doch (mit Maske und Abstand) Schutz genug. Und ein wenig Singen wäre da auch
kein Problem, in so großen Kirchen wie z.B. in xxx schon gar nicht. Da kommen eh nicht so viele Leute. Viele trauen sich jetzt sowieso nicht.

Ich meine, dass es sich die Kirche zu leicht macht mit der derzeitigen „Regelung“,
und die meisten Priester tun jetzt so gut wie gar nichts.
Wo bleibt hier das „Homeschooling“???

Unser Pater N. sagt, es gibt private Messen mit maximal 10 Personen – geradezu lächerlich!
Aber warum wird man nicht einmal als Mitarbeiter (Kantor, Lektorin, Kirchenchormitglied, Sternsinger, Firmhelfer) hin und wieder zu einer solchen Messe eingeladen???

Andererseits gewöhnt sich unsereiner (ich jedenfalls schon) auch an dieses Nichtstun.
Von Mitfeiern bei einer Messe im Radio oder Fernsehen kann da keine Rede sein:
Evangelium und Predigt ja, und der Rest „plätschert so dahin“.
Und mit anderen Menschen oder gar Familien soll man sich ja schon gar nicht treffen.

Ich glaube und fürchte, dass die Kirchen nach überstandener Pandemie noch leerer sein werden als vorher.

Das ist also nicht nur Corona-Frust, sondern auch noch Kirchen-Frust.

***

4

Natürlich würde ich mich auch bei einer Hausmesse fragen, falls die Predigt so grottenschlecht wäre wie bei meinen u.a. Zweifeln an der Sinnhaftigkeit.

Auch reine Freundeskreise sind nicht immer gleich befriedigend, zugegeben. Und das mit der Sonntagsruhe hat ja sogar biologistische Argumente für sich.

Aber insgesamt dürften weder Karl noch ich sich von der großen Masse der Christen, Katholiken oder wie immer unterscheiden, die ja auch nicht in Scharen der (schon vor Corona) geübten Sonntagspraxis folgen. Man kann also schon darüber nachdenken, was man ändern könnte…

***

 

5

… besten Dank für den Text „Flucht in die Virtualität“. Auch wir glauben, dass die diversen virtuellen Treffen, vor allem die Gottesdienste, zu einer bequemen Form des Nicht mehr Zueinanderfindens verkommen können. Sie haben völlig Recht, eine Abendmahlfeier kann nur im Kreise von Feiernden mit Brot und Wein stattfinden. Ihre Anregung, im Kreise von Familie und oder Freunden zu feiern, haben wir in der von Prof. Johannes Parizek (soll genannt sein!) gegründeten und geführten Familienrunde Ende der 60er-Jahre sozusagen vorweggenommen. Meine Frau und ich waren in der katholischen Runde das ökumenische Salz in der Suppe und in einer Diskussionsrunde mit Bischof Weber hat der Bischof auf die Frage meiner Frau, ob sie als Evangelische an der Eucharistiefeier teilnehmen darf gesagt: SIE DÜRFEN.
***

 

6

Warum gibt es den freien Sonntag?

Es sollte den Christen die Gelegenheit bieten, den

Sonntagsgottesdienst zu besuchen und der Ruhe zu pflegen, sich vom

16-Stunden-Arbeitstag zu erholen, soweit sie nicht zur kleinen Clique des Geburts- oder Geldadels gehörten.

Wenn man die Eucharistiefeier von den (Kirchen-)Gemeinden in die

Freundeszirkel verlegte, gäbe es ein Argument weniger, den Sonntag als

allgmeinen Ruhetag zu erhalten. Aber das ist nur ein Aspekt.

Ich weiß auch nicht, ob Du Dich nicht auch bei einer „Hausmesse“

fragen würdest, warum Du Dir das antust.

***
… Wir (N. und ich) haben uns nicht angewöhnt, dieses TV-Substitut einer wirklichen Eucharistiefeier zu konsumieren.

Da halte ich es mit J. W. : Eine Fernsehübertragung eines interessanten Ereignisses ist wie das Bild eines Wienerschnitzels im Vergleich zu einem echten.

Trotzdem habe ich Einwände gegen manche von Karl Mittlinger weitergeleiteten

Textteile:

„Erbärmliche Sonntagspflicht obsolet machen“ bürstet bei mir vollkommen gegen den Strich.

Warum?

  1. Für mich ist der Sonntag wichtig, weil er bei arbeitenden Menschen (zu denen wir und auch Karl uns nicht mehr wirklich zählen können) ein wichtiger Ruhepol in einer stressreichen Woche ist („Am 7. Tag sollst du ruhen“ – auch bei den von Karl zitierten Juden).
  2. Die gemeinsame Freizeit in der Familie = Sonntag. Nicht irgendwann, wenn eine Freundesrunde zusammenkommt.
  3. Die christliche Gemeinde braucht die Zusammenkunft, je profaner das Umfeld ist, desto mehr. Die gegenseitige Bestärkung ist notwendig.
  4. Ich warne vor kleinen privaten Zirkeln mit dem Risiko der Entwicklung spiritistischer Rituale. Das Angenehme einer Auslandsreise ist für mich der Besuch eines Sonntagsgottesdienstes dort. Da weiß ich, selbst wenn ich die Sprache nicht verstehe, was da geschieht.
  5. Und in der jetzigen Pandemie-Situation ist vor „Freundschaftsrunden“

anscheinend zu warnen (Beispiel = britische „Schilehrer“ in Jochberg).

Mir geht der (echte) Sonntagsgottesdienst in der Kirche ab, die TV-Übertragung halte auch ich nicht für einen nur annähernd ausreichenden Ersatz. Doch in dieser außergewöhnlichen Zeit möchte ich trotzdem weder die Nerven noch meine Sonntagsbezogenheit über Bord werfen.

 

>>> meine Antwort (Karl M.)

Lieber N., herzlichen Dank für deine Replik, das ist es, was diese Grenzgespräche in der Pandemie sein könnten, Auseinandersetzung mit einem Thema.

Ja, die erbärmliche Sonntagspflicht, vielleicht sehr subjektiv formuliert aus meiner Lebensgeschichte, diese Pflichtverletzung war eine schwere Sünde, sprich, musste gebeichtet werden, war eine Ratenzahlung für den Höllenaufenthalt. Und so waren auch die Gesichter am Kirchplatz, stolz auf die Pflichterfüllung, gleich neben der ehelichen Pflicht…

Deshalb stimme ich dir zu bei deiner Meinung zum Sonntag, Ruhepol… aber die Stärkung im gemeinsamen Glauben wird nicht mehr erlebt, weil die Messfeier nicht mehr als die Teilnahme am Abendmahl Jesu gesehen wird vor lauter Tabernakelfrömmigkeit, siehe mein Text.

Deine Warnung vor den kleinen privaten Zirkeln ist besonders wichtig, habe ich vielleicht zu wenig gesehen: das Abgleiten in obskure Geheimzirkel… kennen wir aus der Kirchengeschichte, die Schwärmerbewegungen, die Schuster, die die Bibel auslegen und dann die Heugabeln in der Hand, gegen die Obrigkeit ausrücken … weniger Angst hätte ich vor religionsübergreifenden Vermischungen von Lebensweisheit und Erkenntnis, vielleicht würde in diesem Zusammenhang eine versteinerte Dogmatik aufgesprengt und der Glutkern des Christentums, Bergpredigt, Vaterunser und Solidarität in den Mittelpunkt rücken – sofern es gelingt, wieder in die Spur zu kommen nach den Abwehrbewegungen gegen die moralische Krake, die das freie Denken eingeschränkt hat mit ihrer Schuldkultur. Je sündenbehafteter die Menschen, desto leichter waren sie durch Drohungen gefügig zu machen. Devise der kirchlichen Predigt. Das ist nicht mehr die kirchliche Devise, wirst du einwenden und die Jungen denken nicht mehr so. Ja, aber gerade die jungen Geistlichen tragen dieses Virus in sich, wie beim Fieberblasenvirus, das jederzeit ausbrechen kann.

Ich will mich nicht in einen Wirbel hineinreden…

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7

… Von xxx habe ich ihren Text „Flucht in die Virtualität“ bekommen – und ich finde ihn ausgezeichnet.

Meine Bitte an Sie: darf ich ihn in unserer nächsten Zeitung (Frühjahr 2021) abdrucken? Er passt so genau in unsere Diskussion und wäre eine wichtige Bereicherung.

Sie können sich gerne davon überzeugen, wie genau wir mit Ihnen übereinstimmen: https://www.wir-sind-kirche.at/art-des-artikels/zeitung (speziell die Nummern 106, 107, 108).

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8

… ganz herzlichen Dank für deinen Text, der mich sehr beeindruckt hat und dem ich völlig zustimmen kann. Schade, dass eben derzeit (Corona-bedingt) diese Form religiösen/kirchlichen Lebens im engeren Kreis der Familie oder der entsprechenden „Runden“

beschränkt bleibt.

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9

… Ich verstehe dein Anliegen und kann es gut nachvollziehen! Es wäre wirklich eine spirituelle Belebung, würden die Rituale in Familien- oder Freundeskreise einziehen können, und dies wäre auch sicherlich näher an der ursprünglichen Idee!

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10

… ich wüsste nicht, was ich diskutierend zu Deinem Text beitragen könnte, denn das ist so selbstverständlich, dass ich Dich nur wiederholen könnte. Allenfalls bedauern, dass dies nicht allen so genau bewusst ist.

Aber ich möchte einen kleinen ergänzenden Hinweis anbringen: Die frühen Christen fanden als Sakralbau den heidnischen Tempel (bzw. vor seiner Zerstörung den der Juden in Jerusalem) vor. Diese Tempel dienten im Allgemeinen (meine Pauschalierung bitte nachzusehen) einerseits als Wohnstätte von Götterstandbildern und zu deren Verehrung, aber im Besonderen als Ort, wo auf Altären Brandopfer dargebracht wurden; bei den Juden nicht anders als bei den Heiden. 

Als die Anzahl der Christen wuchs (also vor allem nach der Mailänder Vereinbarung 313) entstand natürlich das Bedürfnis nach großen Gemeindeversammlungsräumen. Dazu waren die klassischen Tempel auf Grund ihrer Architektur nicht recht geeignet – möglicherweise hatten die Christen auch Vorbehalte.

Die Architektur der Antike stellte aber einen anderen Bautyp zu Verfügung, der viele Menschen aufnehmen konnte: Dier römische Markthalle mit der erhöhten Apsis für den Praetor – also die Basilika. Diese wurde zum Prototypen der christlichen sakralen Baukunst – mit historischen Varianten eigentlich bis in die Gegenwart.

Auf dieses Wesensmerkmal der christlichen Gemeinde, Gemeinschaft zu sein, ausgedrückt durch ihre spezielle Baukunst, wollte ich ergänzend hinweisen. Dass die frühen Christengemeinden auch Armen-, Witwen-, Waisenversorgung ganz selbstverständlich betrieben, mag zu ihrer Attraktivität in den ersten Jahrhunderten beigetragen haben; jedenfalls mehr als der sektenhafte Fanatismus, den es leider auch gab.

Covid-19 macht leider vieles notwendig, was wir uns vor einem Jahr noch nicht vorstellten. Aber Du hast recht: Eine Messe vor dem Bildschirm ist keine Messe. Der PC mag vielleicht ersatzweise für eine gute Predigt dienen (gibt es leider nur selten). 

Vielleicht noch ein kleiner Hinweis: Im lutheranischen Umfeld wurde zu den drei sog. geistlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe noch eine vierte, nämlich die Geduld hinzugefügt (wegen einer Stelle im Römerbrief). 

Also: Wappnen wir uns auch als Katholiken tugendhaft mit Geduld!

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… danke für deine umfassenden Gedanken!
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11

… Danke für Ihre kritischen und hoffnungsvollen – weil der Bibel nahe – Worte. 

Ich habe mich … immer für eine offene Kirche und der Wahrnehmung der Frauen als den Männern gleichberechtigte Kinder Gottes eingesetzt. 

Wie viele Frauen und Männer in der Steiermark habe auch ich die Ausbildung zur Wortgottesdienst-Leiterin gemacht und in xxx viele, auch sonntägliche Feiern (kein ständiger Priester vor Ort), mit der Gemeinde begangen. 

So wie in Notzeiten auch (real) getauft werden darf, so könnte diese besondere Zeit als solche erkannt werden – dann wäre diese Krise sogar eine Chance für unsere Kirche. 

Haus-Liturgiefeiern sind die logische Weiterentwicklung bzw. „Rückbesinnung“! 

Damit wären alle Diskussionen über Pflichtzölibat und der Zulassung der Frauen zu allen Ämtern überflüssig.

Noch ein Gedanke dazu: theoretisch könnte ein online Gottesdienst angeboten werden – „und keine/r geht hin“ – nimmt daran teil! 

Wäre wohl gegen das 2. Vatikanum?

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12

… ich pflichte Dir bei diesem Phänomen völlig bei: Es bringt das auf den Punkt (und führt es – wie Du sehr schön bemerkst – zugleich ad absurdum!), was seit Johannes Paul II das Priesterverständnis ist. Die Herren Priester, die hier alle sich allein genügen, merken das gar nicht mehr, sie sind so von dieser Konzentration auf das hochstilisierte Priestertum konzentriert, dass sie meinen, damit die Notwendigkeit der Erfüllung der „Sonntagspflicht“ aufrecht erhalten zu können…

 

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Und so hoffe ich auf weitere Diskussionsbeiträge, herzlich

Karl Mittlinger

 

 

 

 

 

Weitere Diskussionsbeiträge (nach der obigen Aussendung)

 

13

…Herzlichen Dank für die Zusendung dieser umfangreichen Zusammenfassung der erhaltenen Beiträge – ist eine neue Form der „Grenzgespräche“ und deren Diskussionen, allerdings aufwändig, aber dafür auch nachhaltiger, da sozusagen durch dich gleich auch „protokolliert“…Ja, bei mir wird dieses „Protokoll“ vielleicht erst nach dem Lockdown breitere Verwendung finden, wenn es wieder möglich ist, in einem größeren Kreis im persönlichen Umfeld darüber weiter zu diskutieren. Wenn ich die Beiträge so lese, dann kommt mir ein bildhafter Vergleich in den Sinn: eines unserer 6 Enkelkinder hat heuer ganz enttäuscht festgestellt, dass sich die Sache mit dem Christkind und den Geschenken ganz anders verhält, als sie das erzählt bekommen hatte. Sie konnte mich nämlich dabei beobachten, als ich mit Geschenken in der Hand vor der Bescherung das Wohnzimmer betrat …. Jetzt geht es darum, ihrer Fantasie eine neue Deutung dieser Person Jesus, nämlich dessen Erwachsenwerden und -sein zu erklären! Da ging mir nun der Vergleich durch den Kopf, dass ja auch wir „Erwachsene“ uns im Laufe des Lebens zumindest ein weiteres Mal – viele Menschen wie ich auch öfter – um das Mitwachsen unseres Jesus- und damit Gottesbildes kümmern müssen – mit oder ohne Pandemie (durch eine solche vielleicht sogar eher?) – wenn wir nicht die gleiche Enttäuschung erleben möchten wie Kinder, denen das „Christkind“ abhanden kommt!Ich jedenfalls vermisse die Unterstützung der Kirche bei der Förderung dieses Wachstums und habe den Eindruck, dass es vielen Priestern nicht ganz unrecht ist, wenn die „Schäfchen“ nicht sehr anspruchsvoll sind, nicht zu viel erwarten oder sie dazu gar etwas fragen. Apropos Fragen: Eine Wortgottesdienstleiterin in den von dir gemailten Beiträgen schreibt folgende Worte: „Da stößt es mir sauer auf, dass es für Eucharistiefeiern eine Fegefeuer-Intention gibt, für die Wortgottesfeier eine Gedächtnis-Intention aber nicht erlaubt ist“. Ich habe zwar auch die Ausbildung zum Wortgottesdienst-Leiter, kenn aber diese Einschränkung nicht. Vielleicht ist eine Erklärung deinerseits dazu auch für andere Leute als mich interessant?

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14

Du hast ein Überlebensthema der Kirche aufgemacht. Besonders die steirische Kirche – die kennt man, weil näher, mehr – rudert  im abgestandenen Wasser der hierarchisch-strukturierten Altkirche, deren Ende mit der fulminanten Feststellung „die Kirche als Volk Gottes“ vor bald 60 Jahren eingeläutet wurde. In der kommenden Zeit hörte man nicht genau hin, eben wurzelhaft und begnügte sich mit oberflächlicher (?) Kosmetik. Man beharrte trotz zahlreicher ökumenischer und interreligiöser Bemühungen auf die Konfessionskirche und entfernte sich von jenen, denen das Christentum Fundament und Lebensziel darstellt.

Dies zeigte sich besonders in der virtuellen Welt:

– die religiösen Feiern waren Priesterzentriert. (Der Vergleich mit den vielen Seitenaltären vergangener Kirchenbauten tat sich auf) und in den Medien hauptsächlich von beamteten Katholiken, und kaum von Frauen erläutert, in die Zeit gesprochen, Orientierung ermöglicht…. 

– „Journalisten als Exegeten“ schrieb der neue Chefredakteur der „Christ in der Gegenwart“: „Da sage noch einer, die säkulare Welt würde von den Christen nichts mehr erwarten! Die eindrücklichsten „Predigten“ wurden während des Pandemie-Weihnachten nicht in den Kathedralen gehalten – sondern fanden in den großen Zeitungen statt. Lernt die Kirche daraus?“

– es gäbe noch viele Beobachtungen…

Für das feierliche Zusammensein von Christen ist die zitierte Stelle Mt 18,20 wesentlich. Sie zwingt zur Entscheidung!

Hans Küng gibt eine Entscheidungshilfe: 

„Wer im Neuen Testament den dogmatisierten Christus sucht, lese Ratzinger, wer den Jesus der Geschichte und der urchristlichen Verkündigung, lese Küng. Dieser Jesus ist es, der Menschen damals wie heute betroffen macht, zur Stellungnahme herausfordert und nicht einfach distanziert zur Kenntnis genommen werden kann. (Hans Küng, Jesus, 2012, S.13).

Jesu Handeln gäbe uns viele Impulse, um sich seiner Worte und Taten in Gemeinschaft zu erinnern.

„Hauskirchen“ aber auch Gemeinde/Gemeinschafts-Feiern in überschaubarer Größe könnten Wege dorthin sein.

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15

… danke für die Zusendung der Diskussionsbeiträge.
Ich bin immer wieder erstaunt und gleichzeitig traurig wie wenig die christliche Lehre bei den „Gläubigen“ bekannt ist und wie menschengemachte Dogmen auf einer Ebene wie die Lehren der Bibel behandelt werden.
• Transsubstitutionslehre und Auferstehungsgeschichte
Ersteres ist eine im Mittelalter entstandene Lehrmeinung, ohne jegliche biblische Basis. Die Auferstehung Jesu ist jedoch eine vielfach bezeugte Tatsache und für den christlichen Glauben umverhandelbar! 1Kor 15,17: „Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist euer Glaube nichtig“ 

Klingt logisch, oder?

  • Pico della Mirandolawar der Kabbala und der mystischen Philosophie zugetan. Heute würden wir ihn als Esoteriker bezeichnen.
    Er stellt den Menschen in den Mittelpunkt und nicht Gott/Christus. 
  • Zur Kritik an den Priestern(„Darsteller“, „hochstilisiert“)

1Tim 2,5: „Denn einer ist Gott, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus“, Hebr 4,14:  „Da wir nun einen erhabenen Hohepriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, lasst uns an dem Bekenntnis festhalten“. Dazwischen gibt es, braucht es nichts. Wir Christen sind Brüder und Schwestern untereinander und auch von Christus! Es bedarf keiner besonderen Kaste, die zu Gott vermittelt.

Und: wir Christen sind lt. Petr. 2,9 zur „königlichen Priesterschaft“ berufen. (und das schon seit Petrus‘ Zeiten und nicht erst seit Johannes Paul II)

Unser Fürsprecher ist Jesus Christus! (von Maria steht in diesem Zusammenhang übrigens kein Wort in der Schrift)

…“Erbärmliche Sonntagspflicht“ + andere Pflichten

Lk 11,46: „Er aber entgegnete: »Wehe auch euch Gesetzeslehrern! Denn ihr bürdet den Menschen schwer zu tragende Lasten auf, rührt aber selber die Lasten mit keinem Finger an.“

1Tim 4, 3: „Sie lehren, dass man nicht heiraten darf, und verbieten, bestimmte Speisen zu essen. Dabei hat doch Gott diese Speisen geschaffen, damit sie von denen, die an ihn glauben und die Wahrheit erkannt haben, mit Dank verzehrt werden.“

1Tim Kapitel 3,1-5: …“1 Das ist gewisslich wahr: Wenn jemand ein Bischofsamt erstrebt, begehrt er eine hohe Aufgabe. Ein Bischof aber soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau, nüchtern, besonnen, würdig, gastfrei, geschickt im Lehren, kein Säufer, nicht gewalttätig, sondern gütig, nicht streitsüchtig, nicht geldgierig, einer, der seinem eigenen Haus gut vorsteht und gehorsame Kinder hat, in aller Ehrbarkeit. Denn wenn jemand seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie soll er für die Gemeinde Gottes sorgen?“

Kol 2, 20-23: „Wenn ihr mit Christus gestorben seid, seid ihr den kosmischen Mächten weggestorben. Warum tut ihr dann so, als ob ihr noch unter ihrer Herrschaft lebtet? Ihr lasst euch vorschreiben: »Dies sollst du nicht anfassen, das sollst du nicht kosten, jenes sollst du nicht berühren!« Alle diese Dinge sind doch zum Gebrauch und Verzehr bestimmt! Warum lasst ihr euch dann von Menschen darüber Vorschriften machen? Es sieht nur so aus, als ob diese selbst gewählte Verehrung, die Demutsübungen und die Kasteiung des Körpers Zeichen besonderer Weisheit seien. In Wirklichkeit bringt das alles uns Gott nicht näher, sondern dient nur der Befriedigung menschlicher Selbstsucht und Eitelkeit.“

 

Jetzt muss ich mich aber wieder einbremsen, ich will ja kein Homeschooling betreiben.

Aber es ist immer wieder erfrischend, wie logisch und vernünftig die Aussagen der Bibel sind und dazu noch eine klare Orientierung in den zeitgeistigen Verirrungen bietet.

Man muss die Schrift lediglich lesen und ernst nehmen.

Die Hirten verletzen ihre Pflicht, wenn sie ihre Schäflein nicht recht unterweisen, lehren und schulen. 

Es darf daher nicht verwundern, dass die Gebete nur mehr ohne Überzeugung mitgemurmelt werden.

 

Dabei ist das Evangelium das großartigste Konzept, das uns Menschlein jemals angeboten wurde. 

Wir befinden uns noch immer im „Gnadenjahr“ (Lk 4,18-19).

 „Heute“ wird uns das Evangelium verkündet. (Hebr. 4,7)

Wer schlau ist, greift zu und nützt die einmalige Chance auf ein Weiterleben nach dem Tod! 

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16

Was ist so schlimm in der Virtualität?
Für den sozialen „Bezug“ haben wir ja die von mir gehassten aber von der Mehrheit angebeteten und geliebten (a-)sozialen Medien ;-).
Da wird berichtet, beschimpft, selbstdargestellt, sie/er angebetet bis in die Intimität, alles echt oder gelogen – wer weiß.
Warum nicht auch das ganze Getue um einen Gott mit zugehörigem -dienst. Innerhalb der theistischen Religion wird erfunden, tradiert, missbraucht, gedroht – durch selbsternannte Erlauchte im Auftrag eines selbst  definierten Wesens namens Gott. Virtueller Glaube?
Ein wichtiger „Impuls“ (im Sonntagsblatt 2019) aus dem Zukunfts(!)bild der Diözese von Mag. Barbara Rutter-Wrann, Pastoralassistentin in der Katholischen Hochschulgemeinde Graz:
„Wir haben uns daran gewöhnt, dass unsere Kirchen und Kapellen die „eigentlichen“ Versammlungsorte der Feiern unseres Glaubens sind. Und da ‚bespielen‘ wir meist nur den Hauptraum. Vergessenheit geraten sind Vor- und Nebenräume unserer Kirchen. Für manche Menschen reicht der Vorraum. Auch im übertragenen Sinn finden nicht alle im Hauptraum einen „Platz“. Weil sie vielleicht nicht getauft, aus der Kirche ausgetreten, geschieden und wiederverheiratet sind oder sich aus anderen Gründen nicht zugehörig fühlen. Für diese passt vielleicht ein Nebenraum, ein kurzes Ritual, eine niederschwellige Feier, ein Segenswort, ein Bibelwort… Herodes hat dem großen Tempel in Jerusalem einen sehr großen Vorplatz für die Heiden gebaut. Somit hatte jede und jeder die Möglichkeit, in die Nähe des Heiligtums zu kommen. Vielleicht ist unser Kirchplatz ein Vorraum zur Kirche, der auch zu einem Teil der Verkündigung wird, durch entsprechende Gestaltung, Bilder, Skulpturen, autofreie Zone, Platz für diverse Feiern. Es wird notwendig sein, ganz neue Orte für die Verkündigung und die Feier des Glaubens zu entwickeln, Kirche zu den Lebensorten der Menschen zu bringen“.
Eine Vorahnung für die jetzige Virtualität? Und im kleinen Kreis hinter temporär oder für immer geschlossenen Kirchentüren? Gleichsam als Covid-Party folgend einem Zitat aus einem Leserbrief im Sonntagsblatt. „Besser weg mit dem Textil, welches das Gespräch mit Gott behindert und die ungewaschenen Hände falten“. Zuhause geht das ja im kleinen Kreis nicht richtig. Schlimm ohne geweihten Herrn Priester. Soweit ich mich erinnere, wurden solche Privatengagierte angezeigt und dann zur Selbstexkommunizierung genötigt (oder haben die noch anderweitig gesündigt?).
Ich bin nun endgültig weg vom (Kirchen-)Fenster. Ich habe mir meinen Austritt lange überlegt, denn die Gründe waren durchaus vielfältig.
Ich deklariere mich wie schon so oft als Ausgestoßener des Jesusklubs. Ich bin geschieden und wiederverheiratet und meine Ehefrau eine ungetaufte genuine Buddhistin. Also was? „Niederschwellig feiern“? Am „Vorplatz für Heiden“? Da würde auch ‚virtuell‘ passen – wenn es mir nicht schon ohnehin völlig egal wäre.

*** 

 

 

II.

Karl Mittlinger

 

Einige „unfrisierte“ Gedanken zu den Diskussionsbeiträgen

 

  • Das hochstilisierte Priesterbild

Unsere Kirche hat im Laufe der Kirchengeschichte die Kritik Jesu am jüdischen (und in den anderen antiken Religionen bestehenden) Priestertum missachtet und ist wider besseres Wissen zum Konzept des Opferpriesters zurückgekehrt, wohl auch deshalb, weil sie sonst im Römischen Reich nicht als „religio licita“ anerkannt worden wäre (und deshalb auch das Verbot der Fegefeuerintention bei Wortgottesdiensten, weil dabei ja kin „Opfer“ gebracht wird, um diese Frage aus zwei Beiträgen gleich zu beantworten). Das ist der Grund, wieso aus einem/einer Gemeindeleiter/in der „Hochwürdige Herr“ geworden ist. Der „Abschied von Hochwürden“ ist wohl auch ein Grund (neben der Zölibatsverpflichtung, die sich ja auch aus dem Sakralpriestertum ergibt) für die schwindende Attraktivität dieses „Standes“, eine „bloße“ Dienstfunktion am Volk Gottes ist ja nicht an ein Geschlecht gebunden.

 

  • Virtuelle Gottesdienstpraxis höhlt den Sonntag aus.

Das Zuschauen (sagen wir halt auch, Mitfeiern) am Fernseher ist eine „bequeme Form des langsamen Auszuges aus dem Gemeindeleben, wie es in einem Beitrag heißt; der „Sonntagsruhe“ wird der Boden entzogen, es schwinden ja auch die sonntäglichen Rituale dieses besonderen Tages. Die Begegnung mit den anderen Gläubigen und das gemeinsame Mahl sind die zentralen Ereignisse des Gottesdienstes. Sie fallen aus. Hoffentlich haben wir das nicht vergessen, wenn die Pandemie vorbei ist, der Lockdown kann auch eine Einübung in eine neue Verhaltensweise sein.

 

  • Bedenken bei Förderung der Hauskirche

In einigen Beiträgen wird bedacht, dass diese Form der Gottesdienste die Gefahr eines Klüngelwesens gegeben sein könnte, wie ja auch in einigen Gemeinschaften die Gottesdienste bei geschlossenen Kirchentüren gefeiert wurden, erzählt man sich.

Freundeskreise, Familienrunden seien da gefährdet. Wir haben eigene religiöse Praxis nie gelernt, sie wurde uns von den Priestern abgenommen und wir haben sie wohl auch gerne delegiert, so sind wir entmündigt im eigentlichen Sinn, wir bringen den Mund nicht auf. Es wäre an der Zeit, sie selbst wieder in die Hand zu nehmen.

 

  • Der Abschied von der Volkskirche

wird in diesen Tagen manifest wie nie zuvor. Die Pandemie nimmt uns auch noch das Brauchtum und die Rituale, die noch immer die Tatsache kaschierte, dass das „Kirchenvolk“ zu einer kleinen Herde geschrumpft ist. Innerlich hat sich die Emigration aus dem christlichen Kosmos längst vollzogen, vielleicht war dieser Kosmos ohnehin nur in den Ritualen und Festen greifbar. Ohne moralisieren zu wollen, müsste doch ein „christlich geprägtes Land“ anders auf die großen Herausforderungen reagieren. Boatpeople, Moira, die Hand, die gierig und bedenkenlos die Impfdosen an sich rafft und der Süden schaut schon wieder durch die Finger, um nur Andeutungen zu machen.

 

  • Die herrschenden Gottesbilder

verhindern sehr oft die Entwicklung einer erwachsenen Persönlichkeit, die sich aus der infantilen Abhängigkeit von einem Überich losgesagt hat. Das heißt aber nicht, dass die Anerkennung eines großen Ganzen, die Einbettung in einen Urgrund ausgeschlossen wird und ein „Sinn des Daseins“ angenommen wir, der in vielfältiger Weise in den großen Erzählungen der Menschheit in mythologischer Sprache seinen Ausdruck in den Religionen findet. In Israel hat sich ein Eingottglaube entwickelt, der durch den Einfluss griechischer und ägyptischer Philosophietraditionen eine humanistische Schneise in die antiken Religionen schlug und die Möglichkeit einer persönlichen Gottesbegegnung eröffnete. Diese Entwicklung lässt sich in den Schriften der Bibel gut verfolgen, das Jesusereignis stellt dabei eine Fulguration insofern dar, als die Menschen in der Jesusbegegung Gotteserfahrungen machten und ihn in der Folge als Sohn Gottes definierten. Die Gottesbilder aber waren in den Denk- und Sprachkategorien der Antike verhaftet und sind für uns heute der Anlass, diese unreflektiert übernommenen Bilder kritisch zu befragen.

Als Beispiel sei die Angst vor der Bestrafung (ich meine den Teufels- & Höllenglauben) genannt. Diese sind ein Abglanz der irdischen Machtstrukturen, die in den orientalischen Großreichen (man lese nach bei Martin Zimmermann „Gewalt – die dunkle Seite der Antike, DVA 2013) herrschten. Die Jenseitsvorstellungen sind eine Projektion des vorderasiatischen Gottkönigtums auf einen Gottkönig im Himmel, der die Feinde hemmungslos vernichtete. Die Jesuspredigt hob sich mit der Vorstellung von einem liebenden Vater radikal davon ab, durchgesetzt hat sie sich nur in Teilen, die „Bilder“ (Dantes „Divina Comedia“ war prägend für unsere Vorstellungswelt) sprechen eine deutliche Sprache. Die Anerkennung der Kirche im Römischen Reich hat das ihrige dazu beigetragen, dass die byzantinischen Sitten und Gebräuche prägend wurden.

Die ganze „schwarze Pädagogik“ durch die Jahrhunderte herauf, der Bestemm auf die allein selig machende katholische Kirche, das Wahrheitsmonopol und die strikt geforderte blinde Annahme aller Dogmen, die im Laufe der Jahrhunderte das „Haus voll Glorie“ zusammenhalten sollten, wurden aus diesen orientalischen Vorbildern geprägt, der „Gottesstaat“, den wir heute in islamischen Landen mit Kopfschütteln sich ausbreiten sehen, war lange Jahrhunderte hindurch das vorherrschende Paradigma unserer Kirche, machen wir uns nichts vor. Vielleicht ist das auch eine Wurzel für den innerlichen Widerstand gegen die „Übertragungen“ von Gottesdiensten im Fernsehen, das textile Gepränge in der Kleidung, das hochhehre Sprachgefunkel, die Demutsgebärden, Schuldbezeugungen und Beweihräucherungen, sie alle sind sowas von byzantinisch, der eigentliche Inhalt, die Jesusbegegnung im Verzehr von Brot und Wein tritt in den Hintergrund und fällt in Zeiten der Pandemie ganz aus.

Die „Gottesverehrung“ steht im Mittelpunkt und bleibt im täglichen Leben ohne Folgen. „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen / sein Herz ist aber weit weg von mir.“ (Mt 15,8)

Dieses größere Ganze, der tragende Urgrund, die universelle Verbundenheit, die Weisheit östlicher und westlicher Mystiker, das Bewusstsein, dass wir nur wie in einem Spiegel sehen, all das bricht in letzter Zeit ins Denken und Fühlen der Menschen ein, jenseits aller Religionsgrenzen bricht etwas Neues auf – seit dem Mann aus Nazaret sollte uns bewusst sein, dass immer wieder ein Paradigmenwechsel stattfinden kann.

Reformation, Aufklärung, Erklärung der Menschenrechte, Umweltbewegung und die vielen humanistischen Strömungen haben, getragen vor allem durch christliche Laien, aus jesuanischem Geist heraus Ansätze zur Veränderung dieser Welt geschaffen. Wollen wir hoffen, dass der Auszug aus den starren kirchlichen Strukturen (z.B. Haltung zum Frauenpriestertum) darauf zurück zu führen ist und nicht aus Bequemlichkeit passiert.

 

  • Auf der Suche

Mit der Frage der Gottesbilder ist kaum etwas über den tragenden Urgrund, der in der jüdisch-christlichen-islamischen Nomenklatur mit Gott (oder Göttin) umschrieben ist, gesagt. Es ist schwer, hinter die Gottesbilder zu schauen. Nach dem schönen Gedanken von den Glasfenstern von einer gotischen Kathedrale, durch die alle Religionen in Richtung der Sonne schauen, die aber niemand direkt sehen kann. Wir haben nur diese Bilder, die von Prophetinnen und Sehern, durch Träume und „Offenbarungen“ in den Heiligen Schriften überliefert sind. Menschenworte.

Und diese Religionen haben daraus ihre Glaubenssysteme entwickelt, beschrieben in den Gottesbildern, ein Zirkelschluss.

Aber wir kommen dadurch dem Kern der Sache näher, wir müssen uns auch heute auf die Suche machen, wie es die Menschen aller Zeiten gemacht haben und zu den unterschiedlichsten Ergebnissen gekommen sind. Ein sehr tragfähiger Ansatz das Bild von Gott als einer Person, zu der man in mystischer Form in Beziehung treten kann und der auf dieser Ebene antwortend erlebt wird.

Und hier enden diese Überlegungen, die Richtung zum Weiterdenken ist vorgezeichnet, aber hier ist nicht der Platz dafür. Und der Begriff der Virtualität hat wohl auch hier seine enorme Bedeutung.

(3. Februar 2021)

***

„Jesus und die Ehebrecherin“

Auslegung des Evangeliums vom 5. Fastensonntag 2019 im Rahmen einer Wortgottesfeier in Unterrohr bei Hartberg, Stmk.

Joh 8, 1-11

Auslegung der Bibelstelle

Wir haben es schon so oft gehört: Jesus sagt zu den Pharisäern „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie“, auf die Ehebrecherin, die frisch beim Ehebruch ertappt wurde. Ertappt ohne den Mann? Den hat man laufen lassen. Vermutlich ist die „Sünderin“ nicht verheiratet, sie haben aneinander Gefallen gefunden und eins gab das andere und sie landeten im Bett. Das ist für den Mann ja kein Problem gewesen, Männer konnten sich auch in der Ehe einen Seitensprung oder eine zweite Frau leisten, die Sklavin oder die Magd waren ohnehin so etwas wie Freiwild, weil sie als persönlicher Besitz angesehen wurden, mit dem man tun konnte, was man wollte. Das Problem ergab sich für die Frau; wenn sie mit einem verheirateten Mann ins Bett ging, war für sie die Steinigung vorgesehen (wir kennen das nicht nur aus der Vergangenheit des Alten Testamentes, diese Praxis gilt in den fundamentalistischen islamischen Gottesstaaten noch  heute, der Islam hat ja diese Gesetze praktisch wörtlich übernommen und nur der aufgeklärte europäische Islam (noch oft ist das nur ein Wunschdenken) hat sie, wie das aufgeklärte Judentum oder das aufgeklärte Christentum als weltliches Gesetz aufgehoben und in die Vergessenheit entlassen). Für den Mann war der Ehebruch seiner Frau vor allem deshalb ein Problem, weil ein dadurch entstehendes Kind, ein sogenanntes Kuckuckskind, von seinem Besitz erben konnte und er als einer dastand, dem man Hörner aufgesetzt hat, Treulosigkeit war weniger ein Motiv, weil Männer es ja mit der Treue auch nicht genau nahmen, es war die Besitzstörung, die der Frau angelastet  wurde, nicht anders, als hätte ihm der Nachbar ein paar Schafe oder Rinder gestohlen.

Was macht Jesus? Zuerst gar nichts. Er lässt Raum fürs Nachdenken, er kritzelt im Sand und sagt dann den schon erwähnten Satz: Wer ohne Sünde ist, der werfe als erster einen Stein auf sie. Und kritzelt weiter im Sand. Den Männern wird langsam bewusst, was das für ein heuchlerischer Standpunkt ist, der nur die patriarchale Position bestärkt, nach der Männer alle Rechte haben und Frauen total rechtlos sind.

Die Wut, es der Frau zu zeigen, wer der Herr im Haus ist, weicht der Scham und der Stein in der Hand wird ihnen glühend heiß, sie lassen ihn fallen und gehen betreten weg.

Und Jesus richtet sich auf und sagt zu ihr, sie haben dich nicht verurteilt, ich tue es auch nicht. Tu das nicht wieder, auf dieser Basis lässt sich keine liebevolle Beziehung aufbauen.

Jesus zeigt ohne große Worte auf, dass durch die Ehe kein Besitzrecht auf die Frau entsteht, ohne die Schriftgelehrten und die Pharisäer direkt auf ihren heuchlerischen Standpunkt hinzuweisen, nach dem die Männerherrschaft von Gott komme, sagt ihnen Jesus, was Gott wirklich ist, er ein gerechter und barmherziger Gott.

Die anderen zu verurteilen ist leicht, vor allem die Frauen. Sie sind in dieser Gesellschaft die Schwachen.

Vielleicht nehmen wir uns an diesem Sonntag einmal ein wenig Zeit, darüber nachzudenken, wie schnell wir im Urteilen über die anderen sind, wie oft wir in der Versuchung sind, Steine aufzuheben und sie auf jene zu werfen, die in unseren Augen Sünder sind, oder Menschen, die selbst an ihrem Unglück schuld sind oder Menschen, die uns fremd sind, die wir nicht verstehen, die anders sind und uns Angst machen, so wie diese Frau die Männerwelt verunsichert hat in ihrem selbstgefälligen Beharren auf ihren Besitz und auf ihre „Rechte“.

© Karl Mittlinger 2019

 

 

Meine Gedanken am Schluss der Reihe „Gewalt in der Antike“ 2015/16 im Bildungshaus Mariatrost

 Steven Pinker, Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit (Fischer TB 19229) S. 42:

„Nein, die Hinrichtung Jesu ist die Frohe Botschaft, ein notwendiger Schritt in einem höchst wundersamen historischen Ablauf. Indem Gott die Kreuzigung stattfinden ließ, tat er der Welt einen unermesslichen Gefallen. Obwohl er unendlich mächtig, mitfühlend und weise ist, konnte er sich keinen anderen Weg ausdenken, um die Menschheit vor der Bestrafung für ihre Sünden (und insbesondere für die Sünde, von einem Paar abzustammen, das ihm ungehorsam war) zu erlösen…Wenn die Menschen anerkennen, dass dieser sadistische Mord ein göttliches Gnadengeschenk war, können sie das ewige Leben erwerben. Und wenn sie die Logik in alledem nicht erkennen, wird ihr Fleisch für alle Ewigkeit in einem quälenden Feuer brennen…“

Hier schreibt einer, der von außen auf die christliche Lehre schaut und die möglichen theologiehistorischen Entwicklungen bewusst nicht näher anschaut, sondern es so liest, wie es tatsächlich gelesen werden kann. Wir Christen fühlen uns durch solch eine Lesart möglicherweise falsch verstanden oder missinterpretiert

Ich habe das bewusst so wörtlich zitiert, weil wir für diese schrecklichen Aussagen so selbstverständlich hinnehmen, es ist uns gar nicht mehr bewusst, welch grauenhafte Botschaften sie transportieren. Es nützt m.E. wenig so zu argumentieren, wie man es in der Theologie immer wieder hört, dass sich eben unsere gewaltverhaftete Welt darin widerspiegle und dass mit der Auferstehung ein Weg daraus gezeigt werden solle, dass Gott seinen Sohn eben nicht verlassen habe, sondern ihn vom Tode auferweckt habe. Das Einverständnis Gottes, um in dieser anthropomorphen Sprache zu bleiben, wird wenigstens stillschweigend vorausgesetzt, auch wenn das Motiv des Beleidigtsein Gottes wegen unserer Sünden weggelassen werden kann, das stammt vom mittelalterlichen Theologen Anselm von Canterbury und wird heute eher nicht mehr geschätzt.

Das in der Erlösungslehre vorgestellte Gottesbild widerspricht aber so diametral der Botschaft vom barmherzigen Vater, der ohne Gekränktheit oder erfüllt von Wiedergutmachungsforderungen auf seinen Sohn = auf die Menschen zugeht, der, um es in einer abgehobenen Sprache auszudrücken, die Sünden seines Sohnes längst weggeliebt hat und den Sohn dadurch befähigt hat, umzukehren. Genau deshalb ist der Geist Gottes in diesen Jesus von Nazaret am Jordan herabgekommen, genau deshalb ist er diese Botschaft geworden.

Und das ist, das wäre das Gegenbild gegen die Gewaltverhaftetheit der Antike (und unserer Gegenwart natürlich auch) gewesen, der liebende Gott, der wohl weit besser durch das wohl noch ältere Bild der Mutter mit dem Kind dargestellt werden könnte. Nicht umsonst heimelt es uns so an, dieses Bild der Isis mit dem Horusknaben auf dem Arm, das Urbild unserer Madonnendarstellungen.

In diesem Gottesbild hätte der Mensch Platz zu einer Umkehr, zur Veränderung, zu der er ohne durch Höllendrohung und Folter von sich aus aufbrechen könnte. Und wir könnten Gott dafür preisen, dass er uns diese Fähigkeit zur frei-willigen Umkehr, allein aus dem Gewissen heraus, in den Bereich unserer Möglichkeiten gelegt hat. Ein solches Gottesbild wäre aufregend neu und hätte etwas, das ein neues Licht auf uns Menschen werfen würde: es zu ersinnen, aus dem Fundus der jesuanischen Gedanken herauszuschälen. Paulus, Augustinus und Anselm von Canterbury haben die Erlösung mit Kreuz und Folter verbunden, nach dieser Lehre hat Gott seinen Sohn nicht geschont und erst durch die Auferstehung im Nachhinein wieder alles in Ordnung gebracht. Das ist ein schlüssiges Bild angesichts des Gewaltdenkens, in dem Folter und Tod ein notwendiges Druckmittel sind, um die Moral der Menschen aufrecht zu erhalten, wie es die Despoten der Antike vorexerziert haben, es kann aber für uns kein Heilmittel mehr sein, weil es Gott noch immer in der Rolle des antiken Potentanten belässt, dessen Wohl und dessen Ehre im Mittelpunkt steht. Der Vater, den Jesus zumindest in einigen Gleichnissen vor Augen hat, braucht das nicht, der steht sehnsüchtig am Hügel seines Anwesens und schaut in die Ferne, ob sein Sohn nicht bald zurückkommt. Und der kommt, aus eigenem Antrieb, weil er sich geliebt weiß. Trotz allem.

Wie weit wir davon weg sind, zeigen uns unsere gewaltverhafteten Bilder, die uns allüberall begleiten, die Kreuze und die Folterszenen der Kreuzwege, die sieben Schwerter, die die Madonna durchbohren, die Heiligendarstellungen mit allen grässlichen Details, Kirchen gleichen mittelalterlichen Schreckenskammern. Und wir sehen das nicht mehr, weil es uns in Fleisch und Blut übergegangen ist, ja selbst im Innersten, im Intimsten unserer Gottesbegegnung, in der Communio mit Gott kommen wir nicht ohne diese Metaphern vom hingeopferten Gottessohn aus. Gnade uns Gott, um in dieser Sprachwelt zu bleiben.

(16 .2. 2016)

Mit dem Programm Google-Earth und einer Zeitmaschine zoomt einer, der nicht müde wird, auch die andere Seite einer Münze zu betrachten, auf Palästina in den 30er-Jahren n. Chr.

Ein Mann wandert von Nazaret an den See Genesaret, er trifft in Magdala/Taricheä am Ausgang des Taubentales, Mirjam, die kluge Frau. Sie begleitet ihn nach Kapernaum

Und nach und nach, einzeln und in kleinen Gruppen schließen sich ihnen Fischer und Zöllner, Arbeitslose, begüterte Frauen, Sklavinnen und Prostituierte an

Wie aus dem Nichts ist er erschienen, herausgetreten aus dem Schatten des glutäugigen Untergangspropheten Jochanan

Es ist besser, sagt er, den Kopf hinzuhalten als Schläge auszuteilen

Es ist besser, arm zu sein als an seiner Gier zu ersticken

Es ist besser, barmherzig zu sein als den Nachbarn in den Schuldturm zu stecken

Der Mann bleibt stehen, um mit einem Bettler zu reden

er grüßt Blinde schon von weitem, damit sie wissen, mit wem sie es zu tun haben,

für die Aussätzigen hat er ein Brot in der Tasche

Der Mann ist ein Wanderprediger

Merkwürdiges gibt er von sich

er redet vom Ausreißen des Auges, bevor es zum Ärgernis verleitet

man solle die Toten ihre Toten begraben lassen

dem Kaiser geben was des Kaisers ist

er redet vom Ernstnehmen des Gesetzes

und vom Übertreten, wenn es den Menschen knechtet

von Feindesliebe und vom Hinhalten der Wange

den Tempelpriestern traut er nicht, sie schauen nur auf ihr eigenes Gerstl, sagt er,

die blutigen Opfer seien dem Gott ein Gräuel

der Gott wolle Barmherzigkeit und nicht Opfer

Du schaffst es, sagt er zu einem, der nicht mehr aus und ein weiß

schau auf, lass den Kopf nicht hängen zu einer, die blind in ihr Verderben rennt

steh auf du Faulpelz, sei nicht so wehleidig – oder so ähnlich halt

Die Leute rennen ihm nach

treten ihm die Türen ein

wie der einen anschaut

unerhört, wie der redet,

endlich einer, der es den Großkopferten hineinsagt,

einer, der uns versteht

einer, der uns ernst nimmt

ein Heros geht durch das Land meinen Griechen

ein Prophet, Elias ist wiedergekommen

das ist endlich der Messias, der die Römer verjagen wird

so reden Juden

Hosanna dem Sohne Davids jubeln sie

dann aber geht es ihm an den Kragen

die Priester hetzen die Römer auf

und diese machen kurzen Prozess

ans Kreuz mit ihm

foltern hämmern stechen ihm die Seele aus dem Leib

und in die Grube werfen ihn die Henkersknechte

von Fieberschauern geschüttelt

verlassen die letzten Getreuen den Galgenberg

Erscheinungen Halluzinationen Träume

jeder erlebt was anderes

vierzig Tage dauert das Außersichsein

es darf einfach nicht das Ende gewesen sein

eine spricht es aus: er lebt

ich hab ihn gesehen: er lebt

von Mund zu Mund

die Gerüchtewelle schwappt über

und dann hören die Visionen auf

aber der Infektionsherd sitzt tief drinnen

glühende Schauer Herzrasen

jedes Wort wird lebendig

weißt du noch

erinnerst du dich

die Blinden

die Tochter des Jairus

der Sklave des Hauptmanns

Zachäus

wie ein Vater ist der Gott

erinnerst du dich

er hat ihn als seinen Papa bezeichnet

die Liebe überwindet das Böse

Gott ist die Liebe

darauf einigen sie sich

als Kurzformel für ihre Predigten

überall im Land sind sie unterwegs

es werden immer mehr

die ganze Welt überfluten sie

ein Strahlen ging von ihm aus

ein Leuchten

die Frauen

die Sklaven

die kleinen Leute tragen

diese unerhörten Gedanken weiter

und es hörte nicht auf

der Mann wurde nicht vergessen

im Gegenteil

man hat ihn in den Himmel erhoben

an die Seite des Gottes gesetzt

weil sie spürten

worauf es ankommt

an ihm ist den Leuten der Knopf aufgegangen

urplötzlich wussten sie

es ist das Herz

und nicht der Verstand

mit dem Herzen muss man schauen

vom Zoom geht er in die Totale des Jetzt

aus der Traum

schau dir die Welt an

was haben sie aus den Anliegen des Wanderpredigers gemacht

wo du hinschaust

die Kirchengeschichte ein Albtraum

die Welt versinkt im Chaos

überall

Korruption Betrug Mobbing

oder muss der Blick doch noch einmal gewendet

und müssen die einzelnen ins Visier genommen werden?

hat sich nicht ein Lichterteppich über die Welt gebreitet

schau in die Palliativstationen

schau an die pflegenden Angehörigen

die freiwilligen HelferInnen überall an den Grenzen

die Kritischen, die auf gerechte Sprache achten

die UmweltaktivistInnen die sich um Nachhaltigkeit bemühen

die Konsumverweigernden wegen des Tierleids

schau sie an

alle die schwarze Pädagogik ablehnen

alle die Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anprangern

alle die z. B. Esel, Ziegen und Schweine kaufen für die Menschen in Afrika

die Kranke besuchen und Trauernde trösten

die mitleiden und solidarisch sind

schau hin

die Welt ist nachweislich besser geworden

sag an

was meinst du?

steckt da nicht auch der Mann aus Nazaret dahinter?

Und dazu muss man nicht an Gott glauben

Ja, dazu muss man gar nicht an Gott glauben

Nachdenklich schließt er Google Earth.

Der Lichterteppich geht ihm nicht aus dem Sinn.

(15. 12. 2015; Erika Horn gewidmet (1918 – 2015)

 

Mein Glaube ist Vertrauen.

Ich kann nicht glauben, dass Gott seinen Sohn wegen unserer Sünden am Kreuz hat sterben lassen, ihn für uns hingeopfert hat. So ein Gottesbild fußt auf einer feudalen Gesellschaftsordnung: da der Gottkönig, dort alle anderen, die ihm zu Füßen liegen – wehe, einer von den Untertanen wagt es, den „Allmächtigen“ zu beleidigen, er kann nur durch seinesgleichen versöhnt werden, z.B. durch seinen Sohn, wie dies der Kirchenlehrer Anselm von Canterbury so folgenreich entwickelt hat
So, jetzt ist es heraußen, mein – und nicht nur mein – Unbehagen über ein weithin verbreitetes Gottesbild muss erst zur Sprache kommen, bevor ich von meinem Glauben reden kann.
Ergänzen will ich, dass ich alle Artikel des Glaubensbekenntnisses mitbeten kann, weil ich diese Sätze als Teile eines mythischen Weltbildes sehe, das ich gut akzeptieren kann, weil ich ja kein geschichtsloser Mensch bin. Es sind Aussagen, die mir von weit her an die Ohren dringen, mit meinem Leben etwas zu tun haben, weil ich in dieser religiösen Welt groß geworden bin. (Unter Mythos verstehe ich alle Aussagen, die Gott in menschlichen Bildern und Begriffen schildern, z.B. dass er einen Sohn hat, dass er wie ein Mensch denkt, dass er beleidigt sein kann oder ein unersättliches Bedürfnis nach Gelobtwerden hat. Ein Mythos versucht zu erklären, was sich zwischen Himmel und Erde ereignet.)
Mein Anliegen ist es, Gott vor den Bildern zu „retten“, die es heutigen Menschen oft verunmöglichen, an Gott zu glauben. Denn was Gott wirklich ist und bedeutet, ist uns unmöglich zu sagen, mit jeder Aussage über ihn sperren wir Gott in unseren Denkkäfig ein und machen aus Gott einen uns zur Verfügung stehenden Götzen.
Nach diesen – nur angedeuteten – Feststellungen muss ich endlich meinen Glauben auf den Punkt bringen: Der Mann aus Nazaret, der von Gott ergriffene Wanderprediger hat für mich in seinem Gleichnis vom barmherzigen Vater (herkömmlich das Gleichnis vom verlorenen Sohn, Lk 15, 11-32) die Welt verändernde Botschaft verkündet: Gott ist wie ein Vater, der sehnsüchtig auf seinen Sohn wartet, der in die Welt hinaus gezogen ist, sich dort zu verwirklichen suchte, gescheitert ist und nun heimkehrt, das Erbteil ist den Bach hinunter, nach menschlichem Ermessen wird es Hiebe setzen, er macht sich auf Demütigung und ein langwieriges Entschuldungsverfahren gefasst. Nichts davon. Es gibt ein Freudenfest, ein himmlisches Gastmahl.
An den Gott, der in diesem Bild ausgedrückt ist, glaube ich mit Herz, Mund und Händen, an den Gott, der Liebe ist. Dass diese Liebe die Welt zum Guten verändern kann, das ist Jesu Botschaft. Wenn wir uns darauf einlassen, werden wir Himmel erleben, hier und jenseits des Horizonts, aber wie das sein wird, wissen wir nicht. Es steht uns gut an, nicht alles zu wissen, auch nicht über den Sinn des Kreuzestodes Jesu. Glaubend hänge ich an den Lippen des Menschensohnes. Mein Glaube ist Vertrauen in die Kraft der göttlichen Liebe, die in allen Menschen guten Willens am Werk ist.

 

(14. April 2012)
Die Bibel macht mir zunehmend Probleme. Es gibt kaum eine Stelle – auch im Neuen Testament – die nicht im Laufe der Tradition so überformt wurde, dass der ursprüngliche Sinn völlig verändert wurde. Dazu kommt die ständige „schwarze Pädagogik“, die mit fürchterlichen Strafen, im NT vor allem im Jenseits, droht und so die Menschen bei der Stange halten will, weil die Priester die Macht über die Sündenvergebung an sich gezogen haben.
Aber besonders die Hinrichtung Jesu, dass Jesus für unsere Sünden gestorben sei, dass Gott seinen eigenen Sohn nicht geschont habe, um uns von unseren Sünden zu erlösen macht mir Probleme. Da steckt ein fürchterliches Gottesbild dahinter! Ich verstehe schon, dass die ersten Christinnen und Christen mit dem Fluchtod am Kreuz nichts anfangen konnten und nach einer Deutung suchten. Dass dann die Erbsündenlehre entwickelt wurde um eine Begründung für die Sündenverfallenheit der Menschen zu haben, das ist für mich ein Sündenfall, der bis heute schreckliche Folgen gezeitigt hat.
Völlig in den Hintergrund tritt dadurch die eigentliche „Erlösung“, die Jesus mit dem Gleichnis vom barmherzigen Vater gegeben hat: Gott ist nicht der opfergierige Patriarch, der seine Kinder klein hält, damit seine größe umso deutlicher erscheint, Gott ist kein Blockwart, der jedes kleine Delikt sofort ahndet. Das ist die jesuanische Botschaft schlechthin, auch wenn Jesus selbst als Kind seiner Zeit immer wieder in die schwarze Pädagogik verfällt und von der Urkirche als der Richter an die Seite Gottes gesetzt wird.
(2011)

Für mich gibt es Meilensteine in meinem religiösen und theologischen Leben, dazu gehören Begegnungen mit Menschen (ich denke an die Sommerwoche zum „Vaterunser“ im Bildungshaus Mariatrost mit Bruder David Steindl-Rast, an die christlich-jüdischen Bibelwochen, an die theologischen Tagungen mit Georg Baudler, Manfred Görg, ich denke an Dorothee Sölle, an Peter Trummer u.v.a.) und wichtige Bücher. Ich bin ein Büchermensch und kann mich – bis zur Unkenntlichkeit unterstreichend und Notizen machend, in ein Buch versenken. Zumeist bleiben mir nur ganz wenige konkrete Aussagen im Gedächtnis, ich sehe mich auf einem riesigen Strom getragen und geleitet, auch wenn die Menschen, Kathedralen und Städte nur undeutlich in Erinnerung bleiben, ich will mich nirgends auf Dauer einrichten, zu sehr bewegen mich neue Erkenntnisse, zu sehr bin ich unterwegs. Wohin die Reise geht, weiß ich nicht, ob am Ende meines Lebens eine liebende Gottheit, die mich in die Arme nimmt, oder die ewige Ruhe steht (die christliche Begräbnisliturgie redet ja ganz ungeniert von der ewigen Ruhe als Wunsch für die Verstorbenen, das fällt scheint es, niemandem auf…), ich bin offen für beide Optionen, andere gibt es ja nicht.

Von der Lektüre des Buches von Klaus-Peter Jörns „Notwendige Abschiede – Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum“(Gütersloher Verlagshaus 2006, inzwischen in 5. Aufl. erschienen) möchte ich in einigen Schritten berichten. Mir war Jörns schon durch das Buch „Glaubwürdig von Gott reden“ (2009, Radius-Verlag) bekannt, es war gleichsam die Hinführung auf dieses Werk.

Jörns ist evangelischer Theologe (*1939), zuletzt Professor für praktische Theologie und Leiter des Instituts für Religionssoziologie in Berlin. Will man das Werk in wenigen Worten vorstellen, so geht es darin z. B. um die These, dass alle Religionen Anteil an der Offenbarung Gottes haben und das Christentum (auch nicht das Judentum und der Islam) darin keine Sonderstellung einnimmt. Wenn en Gott als Schöpfer des ganzen Kosmos geglaubt wird, dann sind alle Religionen von Gott gewollt und stellen authentische Heilswege dar. Es geht also um den Abschied von der Sonderstellung des Christentums. Es geht auch um den Abschied von der Vorstellung, dass die Bibel ein einheitliches Werk sei und die Offenbarung mit ihr abgeschlossen sei. Die Bibel ist eine Sammlung höchst pluraler Gotteserfahrungen und zeigt eher die Wege und Irrwege auf, die das Volk Israel und das Christentum gegangen sind. Ein wichtiges Anliegen ist Jörns der Gesamtzusammenhang der Schöpfung, in der der Mensch sich die Krone aufgesetzt hat und die Mitgeschöpfe unterdrückt. Dieses Plädoyer für Tiere als geistbegabte Wesen eröffnet ein weites Feld im Hinblick auf unsere Essgewohnheiten. Schließlich geht es Jörns um den Abschied von einer Sühneopfertheologie, das ist wohl sein Hauptanliegen. Angefangen von einer unheilvollen Erbsündenlehre (die Menschen waren von Anfang an so, wie sie auch heute sind und „es war gut so“) gipfeln die Missverständnisse in der Interpretation der Hinrichtung Jesu als ein von Gott gewolltes Menschenopfer, das Gott in den Strudel menschlicher Gewalt hineinzieht. „Gott ist Liebe“ – das ist die „erlösende“ Botschaft und das Gleichnis vom barmherzigen Vater ist das neue Paradigma dazu. Das Kreuz als christliches Symbol kann für die Bereitschaft stehen, die Liebe Gottes auch durch den radikalen Verzicht auf Gewalt und die Fähigkeit, dafür zu leiden, zu bezeugen (356).

 

verzeichnis der (veröffentlichten) essays, prosa- und lyriktexte in verschiedenen medien

essays und beiträge in verschiedenen medien

(1974) Kirche und Bildung in: Kirche heute, Steirische Berichte 3/1974, 18;

(1981) Kultur und Bildung oder: Gegen den Tod ist kein Kräutlein gewachsen,mit Ilse Gschwend, in: politicum Josef Krainer Haus Schriften 7/1981;

(1984) Naturküche im Bildungshaus Mariatrost in: Jugend & Kirche, Heft 2, 18. Jg. 84/85, 28-29;

(1985) Landesverteidigung als notwendiges Übel in: politicum, Josef-Krainer-Haus-Schriften 23, 6. Jg., März 1985, 4-5;

(1985) Wertwandel konkret. Beispiele aus dem Programm des Bildungshauses Mariatrost in: politische bildung. zeitschrift für erwachsenenbildung, Organ des österreichischen Instituts für politische Bildung, 7. Jg., 4/85, 49;

(1985) Das Werden des Bildungshauses Mariatrost. Von der Dr. Joseph Neubauer’schen Jubiläumsstiftung zur Bildungsstätte der Diözese Seckau. Diplomarbeit zur Erlangung des akad. Grades „Magister der Theologie“, eingereicht bei Univ. Prof. Dr. Maximilian Liebmann am Institut für Kirchengeschichte an der Theolog. Fakultät der Universität Graz.

(1985) Wenn die Natur kippt, dann fallen wir mit, Gastkommentar in: KLEINE ZEITUNG, 2. März 1985;

(1989) Bildung: Eine endlose Reise in: Sonntagsblatt für Steiermark, 8. Oktober 1989, 3;

(1986) Verlorener Mut zum Risiko. Unsere Diskussion über den „steirischen herbst“ von dem Emil Breisach befürchtet, er bewege sich auf eingefahrenen Gleisen, setzen wir heute fort, in: KLEINE ZEITUNG, 12. Februar 1986, 25;

(1987) Männer müssen sich ändern in: Sonntagsblatt für Steiermark, 42. Jg., 41, 11. Oktober 1987; 6;

(1988) Das Leben ist der Güter höchstes – nicht? in: Werkblätter der Erziehergemeinschaft 2/88;

(1990) Zwischen Bürgerreligion und Fundamentalismus. Zur Situation der Kath. Erwachsenenbildung in Österreich in:Batschuns aktuell, Informationen des Bildungshauses Batschuns, Juni 1990, Sondernummer;

(1990) Auf religiösem Gebiet ist ein radikaler Schwund an Kirchlichkeit zu beobachten in: bakeb informationen, Bundesarbeitsgemeinschaft für Kath. Erwachsenenbildung in Österreich 2/90, 30-31;

(1991) “Ich möchte mich ins wahre Leben schreiben“ (Rose Ausländer) Schreibwerkstätten: Formen kreativen Schreibens in: bakeb informationen, Bundesarbeitsgemeinschaft für Kath. Erwachsenenbildung in Österreich 1/91, 51-53;

(1991) Man muss die Tiefe auf der Höhe betrachten (Angelus Silesius) Wandern mit Erwachsenen etwas anders in: bakeb informationen, Bundesarbeitsgemeinschaft für Kath. Erwachsenenbildung in Österreich 2/91, 21-22;

(1991) Odyssee. Ein poetischer Essay in: bakeb informationen, Bundesarbeitsgemeinschaft für Kath. Erwachsenenbildung in Österreich 3/91, 10-11;

(1992) Von der Freude am Schreiben in: Der Vierzeiler, 12. Jg., April 1992, 17;

(1992) “Ich möchte mich ins wahre Leben schreiben“ (Rose Ausländer) Die Schreibwerkstatt – eine kreative Form des Lernens in: Johann Holzner, Erika Schuster (Hg.), Moderne Literatur, Herausforderungen für Theologie und Kirche, Tyrolia Verlag Innsbruck, Wien 1992, 75-77;

(1992) Wozu ein kirchliches Bildungshaus? Eröffnungsrede für das Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten am 30. September 1992 in: Kathpress. Info-Dienst der Österr. Kath. Presseagentur, 41/9. Oktober 1992; 9;

(1993) Ein Stück Weges mit Herrn Haider gehen? Gastkommentar in: Kleine Zeitung, 23. Jänner 1993, 30;

(1993) Dass wir miteinander reden, macht uns zu Menschen in: DIALOG, Anknüpfungspunkte zum „Tag der Steiermark“, 7 -16; auch in: DIALOG, Tag der Steiermark, 26. Juni 1993, 10-11;

(1993) „Ich glaube an die Auferstehung vor dem Tode“ in: Courage, Magazin zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten, 4, jg.8, April ‚93, 16;

(1993) Die Sprache hat wie der Wein einen Körper. Über die Leidenschaft des Lesens. Eine männlich-aphoristische Annäherung in: bakeb informationen, Bundesarbeitsgemeinschaft für Kath. Erwachsenenbildung in Österreich 4/93, 21-23;

(1993) „Ein Fest für Erika“ in: Erwachsenenbildung, Steirische EB Informationen 55, September 1993, 17;

(1993) Alt werden: Selbstorganisation des Überlebens? Flüchtige Anmerkungen eines Betroffenen in: politicum, Josef Krainer Haus Schriften 59, Juni 1993, 13. Jg., 17-18;

(1993) Gedanken zur Volksbildung oder Federnschleißen ohne Pölster in: Erwachsenenbildung. Steirische EB Informationen 56, Dezember 1993, 3-5;

(1995) Religiöser Supermarkt, Spezialgeschäft für obskure Wünsche oder: Muss der Laden wegen mangelnder Nachfrage geschlossen werden? Innerer Monolog eines Bildungshausdirektors in: BAKEB – Information, Kommunikation, Service 2/1995,29-30; auch in: Neuwaldegger Bildungskalender, November-Dezember 1995;

(1995) Familie als Ort menschlicher Evolution in: Begegnungen – Zeit-Schrift der kath. Lehrer- und Erziehergemeinschaft 2/95, 23-26;

(1995) Kräftig – farbig – intuitiv. Gedanken zu den Fächerbildern von Ilse Burkelz, Katalog Malerei „Das Spiel“, 1995,

(1995) Von der steirischen Haut in: politicum 67 Josef Krainer Akademie Schriften, Oktober 1995, 15. Jg., 49-50

(1996) Martin Gutl. In vielen Herzen verankert. Seine schönsten Texte. Auswahl und Nachwort von Karl Mittlinger. Verlag Styria 1996; Nachwort S. 205 – 220

(1996) Lebensqualität durch Bildung in: Wellness, Dokumentation einer Veranstaltung des medizin. Dekanates der KFU Graz, der GEFAS Steiermark u.a., Hg. Mag. Walter Kremsner u. Mag. Rosemarie Kurz, 23-31;

(1996) Maria Stahl, wenn ich mein herzklopfen in die waagschale werfe, Vorwort zum gleichnamigen Buch, Vorarlberger Verlagsanstalt, Dornbirn;

(1996) Das Kreuz hat keine Stromlinienform, in: Fritz Csoklich, Matthias Opis, Eva Petrik, Heinrich Schnuderl (Hg.) ReVisionen. Katholische Kirche in der Zweiten Republik. Verlag Styria Graz Wien Köln 1996, 287-291;

(1996) Von den Menschenpyramiden zu Richard W. in: Katalog Ilse Burkelz Malerei, Druckhaus Thalerhof, 1994 – 1996;

(1996) Das 1×9 des Eheglücks in: du und wir, Das Eibiswalder Pfarrblatt Weihnachten/Neujahr 96/97; auch in: Eisenerzer Pfarrblatt Juli/August 1998, 12-13;

(1996) Die Siebzigerjahre, 50 Jahre Katholisches Bildungswerk in der Steiermark in: Steirische Berichte, Steirisches Volksbildungswerk, 5-96, 20;

(1996) Ich beginne einfach …Autoren Leben, Fernkurs für Literatur, Heft 1. Hg. Literarisches Forum der Kath. Aktion Österreichs, Oktober 1996, 38-55;

(1996) Lebensqualität durch Bildung in: Wellness. Wege zu höherer Lebensqualität Hg. Mag. Walter Kremsner und Mag. Rosemarie Kurz, GEFAS Steiermark, 39-53;

(1997) Der Autor und sein Computer in: Medienzeit, Fernkurs für Literatur, Leseheft 6, Hg.: Literarisches Forum fer Kath. Aktion Österreich und Wien, April 1997, 8-11;

(1997) Herzstück des Christentums: der Sonntag in: Mariatroster Pfarrblatt, 32.Jg., Juli 1997, 123. Folge, 1-2;

(1997) Bitte die Beifallsmaschine einschalten! Bittere Abrechnung mit einem liebgewordenen Medium in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 17. Jg., Nr. 3, September 1997, 18; ebenso in: Sonntagsblatt für Steiermark Nr. 40, 52.JG., 5. Oktober 1997, 7;

(1997) Religiöser Supermarkt? Esoterik im Vormarsch? in Mariatroster Pfarrblatt, Dezember 1997;

(1998) Über gute Bilder in: Katalog zur Ausstellung im Bildungshaus Mariatrost: Michael Pinter, Bilder und Zeichnungen 1994 – 1997, http://remi.mur.at/001m.htm;

(1998) Geschwisterlichkeit – Szenen eines bislang unveröffentlichten Stückesin: Herdenbrief 2, Hg. Plattform „Wir sind Kirche“ MACHT KIRCHE, Thaur Druck- und Verlagsanstalt 1998, 275-280;

(1998) „Austrian Energy“- Ein Porträt der Künstlerin Ilse Burkelz in: Steirische Berichte 2/3 – 98, 56-57;

(1998) Es schaut ein Wächter auf der Mauer aus ob nicht bald der neue Tag anbräche in: wort auf dem weg, Verlag DIE QUELLE, Feldkirch, Jänner – Februar 1998, 41-43;

(1998) Reinkarnation oder Erlösung? in: Mariatroster Pfarrblatt, 33.Jg., 1/1998;

(1998) Österliche Gedanken in: Brücke, Pfarrblatt für Graz-St. Leonhard, 53 Jg., April 1998;

(1998) Ich habe nur meine Pflicht getan in: wort auf dem weg, Verlag DIE QUELLE, Feldkirch, Mai – Juni 1998, 16-20;

(1998) Wir ziehen zur Mutter der Gnade. Von der Flucht aus dem Jammertal ins himmlische Jerusalem in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 18. Jg., Nr. 2, Juni 1998, 9-11;

(1998) Reisen als schöne Kunst betrachtet in: FORUM-Informationen, Forum Kath. Erwachsenenbildung in Österreich 3/1998, 6-9;

(1998) Auferstehung! oder Wiedergeburt? in: Brücke, Pfarrblatt für Graz-St. Leonhard, 53. Jg., Folge 9, November 1998, 4-5;

(1998) Voll im Trend – Hildegard und ihre Medizin in: kirche konkret 7/1998;

(1998) Wie beim Feiern, so bei der Arbeit in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 18. Jg., Nr. 4, Dezember 1998, 18-19;

(1999) Die sieben Schmerzen Mariens, in: Die sieben Kreuzwegsäulen zum Grazer Kalvarienberg, „Durch alle Tiefen musst du hindurch“, mit  einer Einführung von Robert Pretterhofer und Texten von Karl Mittlinger. Hg. vom Bergverein im Eigenverlag der Pfarre Graz-Kalvarienberg, Druckerei Khil Graz 1999

(1999) Die Zukunft der Kirche kann nicht herbeigejammert werden in: Information Pfarre Graz-Kroisbach, April 1999;

(1999) Eine Frage des Geldes. Katholische versus berufliche Erwachsenenbildung im Gespräch über das Bildungsverständnis der Gegenwart. Mit Bernhard Ingrisch und Karl Mittlinger, Moderation Josef Prüwasser in:TOOLS, Österreichische Fachzeitschrift für Erwachsenenbildung, 1999/Heft 2, 21-24;

(1999) Dass wieder die Erde sich wandle in den Augenstern Gottes in: Wort auf dem Weg, Verlad DIE QUELLE, Feldkirch Mai – Juni 1999, 15-18;

(1999) Stimmung: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 19. Jg., Juni 1999, Nr. 2, 19;

(1999) „Sing afoch a Liad“ in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 19. Jg., Nr. 3, September 1999, 5-7;

(1999) Weil uns der Überfluss zum Hals heraushängt oder Die Sehnsucht nach der guten alten Zeit in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 19. Jg., Nr. 4, Dezember 1999, 9-11;

(2000) Ich werde meinen Geburtsschrei hören und ertrinken im Tanz.Nachruf für Josef Fink in: Minoriten Programmzeitung Jänner/Februar 2000, 27;

(2000) Vom (Un)Sinn der Mundartmessen in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 20. Jg., Nr. 1/2000, 22-23;

(2000) Meine Seele preist die Größe des Herrn. Über Jesu Muttersprache in: wort auf dem weg, Verlag DIE QUELLE, Feldkirch, Mai – Juni 2000, 18-22;

(2000) Was bedeutet Auferstehung? Was feiern wir zu Ostern? in: Information, Pfarre Graz-Kroisbach, April 2000, 3;

(2000) Säkulare Klöster und Widerstandsnester sein, Zum Thema Kath. Bildungshäuser in: DIE FURCHE,Wochenzeitung für die Themen der Zeit, 56 Jg., Nr. 27, 6. Juli 2000, 2;

(2000) Was es mit Nimrod auf sich hat … in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 20. Jg., Nr. 3/2000, 16;

(2000) „Bis der Gong ertönt….“ Beruf und Spiritualität in der zweiten Lebenshälfte in: Diakonia. Internationale Zeitschrift für die Praxis der Kirche, 31. Jg., Heft 5, September 2000, 339-343;

(2000) Was bedeutet „Erlösung“ in: Sonntagsblatt für Steiermark, 42/15. Oktober 2000;

(2000) Christen besinnen sich ihrer Wurzeln in: Sonntagsblatt für Steiermark 45/5. November 2000;

(2001) Liebe Nora! in: Leben in Beziehungen. Eine Auswahl. Dokumentation eines Fotowettbewerbes, Sonntagsblatt für Steiermark, Graz 2001, 28;

(2001) Nachschau am Ende zweier Bischofs-Ären. Johann Weber ging in Graz-Seckau, Egon Kapellari in Gurk-Klagenfurt in: Die Furche. Wochenzeitung für die Themen der Zeit, Nr 12/22. März 2001, 6;

(2001) Texte der Bronzetafeln an der Angelusstiege zur Basilika Mariatrost, Graz;

(2001) kräftig – farbig – intuitiv, Ilse Burkelz, die Malerin in:Journal Graz, Ausgabe 7, September 2001, 24;

(2001) „Mein Sohn ist schwul“- was tun? in: Sonntagsblatt für Steiermark, 21. Jänner 2001, 17;

(2001) Der Himmel ist in dir. Selbsterfahrung in der Begegnung mit Jesus in: wort auf dem weg, Verlag DIE QUELLE, Feldkirch, Juli – Oktober 2001, 12-15;

(2001) Die Welt mit den Augen Gottes sehen. In: DIALOG. v sluzbi cleveka/im Dienst des Menschen. Festschrift zum 60. Geburtstag von Josef Kopeinig. Mohorjeva/ Hermagoras Verlag Klagenfurt/Celovec 2001, 177 – 189;

(2002) „Du sollst dir kein Gottesbild machen.“(Ex 20.4) Aber ohne Gottesbilder geht es auch nicht in: Der Vierzeiler, Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben, 22. Jg., Nr. 1/2002, 30-31;

(2002) Schwarz auf Weiß und dann … Einführung in Lesung und Ausstellung Ingrid Coss am 3. Mai 2002 in der Pfarre Graz-Salvator;

(2002) Bäume soll man stehen lassen. Vorwort zum Katalog von Dorothea Weißensteiner (Eigenverlag);

(2002) Den Paulus in mir entdecken. Oratorium über den faszinierenden Mann aus Tarsus in: Sonntagsblatt für Steiermark, 30. Juni 2002, 17;

(2002) jesus.jpg. Von Christusbildern im Internet und in Schlafzimmern – und wieso überall der gleiche Kitsch zu finden ist in: SCHRIFT/zeichen Zeitschrift für literatur [kunst] religion, 3/2002, 20-21;

(2004) Wenn Gott uns heimführt aus den Tagen der Wanderschaft … Das wird ein Fest sein. Vorwort zur 2. Aufl. von Martin Gutl. In vielen Herzen verankert. Seine schönsten Texte. Auswahl und Nachwort von Karl Mittlinger. Verlag Styria 1996; Nachwort S. 205 – 220

(2004) Zukunft der Kirche. Quart-Umfrage in: Quart. Zeitschrift des Forums Kunst-Wissenschaft-Medien 1/2004, 18-19;

(2004) Sein Innerstes berühren. Begegnung mit dem Grödner Bildhauer Walter Moroder in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 21, Jahrgang 2004, 5-19;

(2005) Was ist Seele? Einflugschneise des Heiligen Geistes in: Brücke, Pfarrblatt für Graz-St. Leonhard, März 2005;

(2006) Gegen den Strich kämmen – Lyrik heute  in: doppel:punkt 2006:3, hg. Lesezentrum Steiermark, Institut für Bibliotheksorganisation, Bibliotheksentwicklung und Lesepädagogik, 13-14;

(2006) im federkleid der eule, Vorwort zu Maria Stahl, im federkleid der eule, Gedichte, Athena Verlag, Oberhausen;

(2006) Rektor Mag. Peter Weberhofer 40 Jahre Priester in: information. Römisch-Katholisches Seelsorgezentrum Graz-Kroisbach September 2006,2;

(2007) Von der Andachtsstätte zum religiösen Supermarkt. Ein Rückblick auf ein Dritteljahrhundert steirischer Erwachsenenbildung  in:http://www.bildungsnetzwerk-stmk.at/0709/EB-Aktuell_0709.html

(2007) Plädoyer für die Lebenslust. Informelles Lernen in der Erwachsenenbildung in: tools. Österreichische Fachzeitschrift für Erwachsenenbildung01/2007, 5-7;

(2008) Zwischen den Zeilen in: Geschichtsbewusstsein und Friedensarbeit – eine intergenerationale Aufgabe. Festschrift für Erika Horn. thema Pro Senectute, Wien 4/5 Juni 2008, 18-21;

(2009) Wenn er rief, kamen alle. In memoriam Hans Steiner (1921 – 2008): Aufklärer, Volksbildner und frommer Christ in: Sonntagsblatt für Steiermark Nr. 1/4. Jänner 2009,14;

(2009) 5,8 km Luftlinie liegen zwischen dem Kulturzentrum bei den Minoriten und dem Bildungshaus Mariatrost. Wie leicht waren sie mit Sepp Fink zu überwinden in: Josef Fink, Weine helle Brandung. Das künstlerische Werk, Hg. von Johannes Rauchenberger und Roman Grabner, Bibliothek der Provinz, Weitra 2009, 334-337;

(2011) Marijino Romane – Marienwallfahrt in: Marijina Romarska pot Zbornik, Kozjanski park, Podsreda 45, SI; slow. Übersetzung u. dt., kroat. u. engl. Zusammenfassung, 26 – 34;

(2011) Zum Zyklus Erfühltes und Erfülltes von Ingrid Stern. (Hg. von Ingrid Stern im Eigenverlag);

(2012) Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion? (J.W.v.Goethe). Die berühmte Gretchenfrage. In: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 29, Jahrgang 2012, 13-15;
(2012) bibliotheken als dienst an den menschen. verliert die kirche den kontakt zu den menschen? In: doppel:punkt 2012:03 Fachzeitschrift für Bibliotheken in der Steiermark, S. s5;
(2012) Mein Glaube heißt Vertrauen in: Sonntagsblatt für Steiermark 46, 18. November 2012, Beilage S. 3;
(2012) an den tag bringen, was nach oben drängt. erzählen als lebenshilfe in: doppel:punkt 2012:04 Fachzeitschrift für Bibliotheken in der Steiermark, 14-15;

(2014) Wenn Gott uns heimführt…Vor 20 Jahren starb Martin Gutl; in: Die Furche 13/27. März 2014, S. 14;

(2014) Nur aus Sehnsucht ist das Weltall aufgebaut. Zu Martin Gutls 20. Todestag, in: Stadt Gottes, Zeitschrift der Steylermissionare, Juli-August 2014, 34-35;

(2015) Brief an Stelle eines Vorwortes. In: Dietwin Koschak, Dreck. Lyrische Prosa. Wien, Edition Garamond, 2015, S. 5-7;

(2016) Die Kirche und die Bibliotheken. Die Bücherei vor neuen Aufgaben in: doppel:punkt. Fachzeitzschrift für Bibliotheken in der Steiermark, Ausgabe 2016:01, S.14;

(2016) Martin Gutls Meisterschaft. In: Sonntagsblatt für Steiermark. 26. Juni 2016, S. 23;

(2016) Vorwort zu: Maria Stahl, vollmond pflügt die äcker wund. SoralPro Verlag, Graz 2016, S.7-8;

(2016) Im Glauben an einen barmherzigen Gott. Gedanken zum Reformationsjahr 1517 – 2017 in: Sonntagsblatt für Steiermark 44/6. Nov. 2016, S.4-5;

(2016) Vorwort zu Ingrid Coss, Milchreis. SoralPro Verlag 2016;

(2019) Betrachtungen zu ausgewählten Kunstwerken des Bildungshauses Mariatrost in: Karl Mittlinger, Karl Kalcsics, Peter Zavarsky (Hrsg.) Bildungshaus Verpflichtung und Chance. 70 Jahre erfolgreiche und innovative Bildungsarbeit. Verlag GUPE Graz 2019; S. 109 – 162;

(2022) Frage die Zugvögel nach ihrer Heimat. Zum 80. Geburtstag von Martin Gutl in: Die Furche, 17, 28. April 2022 S. 9

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beiträge in festschriften

(1983) Karl Heinz Ladenhauf / Karl Mittlinger

Aspekte des gesellschaftlichen Kontextes in ihrer Bedeutung für die Erwachsenenbildungin:Menschenerweckende Erwachsenenbildung. Festschrift für Ignaz Zangerle/ hrsg. von d. Bundesarbeitsgemeinschaft für Kath. Erwachsenenbildung in Österreich. Wien – München, Herold Verlag 1983, 230 – 235;

(1991) SYNOPSE in: ER STELLTE EIN KIND IN IHRE MITTE, Festgabe zum 60. Geburtstag für Willibald Rodler, hg. vom Religionspäd. Institut der Diözese Graz-Seckau, 30-33;

(1998) Braucht Bildung ein Haus? Orte der Erwachsenenbildung im virtuellen Zeitalter in: Gestalten und Verantworten. Alte und neue Herausforderungen christlichen Engagements. Festschrift für Leo Prüller. Herausgegeben von Veronika und Gunter Prüller-Jagenteufel, Thaur – Wien – München, Druck- und Verlagshaus Thaur 1998, 127 – 135;

(1999) coincidentia oppositorum in: Anspruch und Widerspruch. Evi Krobath zum 70. Geburtstag. Hg. Maria Halmer, Barbara Heyse-Schaefer, Barbara Rauchwarter. Klagenfurt/Celovec – Ljubljana – Wien, Verlag Mohorjewa/Hermagoras 1999, 219;

(2001) Die Welt mit Gottes Augen sehen in: Dialog im Dienste des Menschen/Dialog v službi človeka. Festschrift zum 60. Gerburtstag von Josef Kopeinig. Klagenfurt/Celovec – Ljubljana – Wien, Verlag Mohorjewa/Hermagoras 2001,      177 – 188;

(2003) maikäfer flieg, liebe oder was, stachel im fleisch, näher als irgendwo in:herzlichst, 50 Momentaufnahmen der Caritas anl. des 50. Geburtstages von Franz Küberl, Hg. Caritas Österreich

(2006) Von Mutterleib und Kindesbeinen an in: Die Augen meiner Augen sind geöffnet. Erfahrungen der Dankbarkeit. Eine Hommage an David Steindl-Rast. Hg von Rosemarie Primault und Rudolf Walter. Freiburg – Basel – Wien. Verlag Herder 2006, 99 – 106;

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vertonungen

(1991/1993) Ernst Pfiffner, „…da der Tod“

für 1-stimmigen Chor, Alt, Sprecher, Flöte, Englischhorn, Viola, Violoncello, kl. Schlagzeug
Texte von Karl Mittlinger und W.A. Mozart. Werkreihe A: Musik für Konzerte

(1992) Ernst Pfiffner, „… ahnten sie nicht“ (1992)

für Alt, Flöte, Englischhorn, Viola, Violoncello, kl. Schlagzeug
Texte von Karl Mittlinger. Werkreihe A: Musik für Konzerte.

(1993) Franz Zebinger, Unter dem Eis. Liederzyklus für mittlere Stimme (Karl Mittlinger), Karl Mittlinger

gewidmet, 25., UA 07.12.1993 Graz, ORF-Mitschnitt 27.09.1997 Raiding, CD Franz Zebinger -Kompositionen FZK 9901

(1998) Passionslied 1, 2, 3 vertont von Sepp Spanner in: Steirische Passionslieder, UA in der Antoniuskirche, 31. März 1998

(1999) Gott im Werden, vertont von Sepp Spanner in: Steirische Passionslieder, UA in der Antoniuskirche, 23. März 1999

(1999) Franz Zebinger, „Doch gut ist ein Gespräch..“, (F. Hölderlin, M. Gutl, K. Mittlinger)

Festkomposition 50 Jahre Bildungshaus Mariatrost für Tenor, Sprecher, 8st. gem.

Chor, Flöte, Oboe, Tenorsaxophon, Bassposaune, Schlagwerk, Harfe, Regal, Orgel,

UA 25.06.1999

(2000) Osterlied, Auf dem Weg nach Emmaus, vertont von Sepp Spanner in: Steirische Passionslieder, UA in der Antoniuskirche, 11. April 2000;

(2009) JUDENBURG@universum, Aufführung im Rahmen des Judenburger Sommers am 22. August 2009, Konzeption und Leitung Günter Meinhart, … Textdramaturgie Karl Mittlinger

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lyrik- und prosaveröffentlichungen

(1987) mit demütig geneigtem kopf aus: du bist eine von uns in: Mariatroster Pfarr- und Wallfahrtsblatt, Mai 1987;

(1990) Dunkles Ei, Das Unheil schwindet, Wasser oder Wein, Die wilden Stürme, In Dir vermählen sich …Texte zu den Glasfenstern von R. Szyszkowitz in der Taufkapelle der Pfarrkirche Laßnitzhöhein: Unser Kind wird getauft, Hg. Familienreferat und Pastoralamt der Diözese Graz-Seckau, 1990; zit. auch in präsent, Österr. Wochenzeitung für Poilitik, Religion, Gesellschaft, Jg. 94, 20/19. Mai 1994, 20;

(1991) aus dem zyklus nachtigall und zypresse: die brüste der madonna, erzähl mir vom turm, die speichen des rades, weißlackiert in LICHTUNGEN: Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik 48/XII.Jg./91, 36-37;

(1991) Elias in: Programmheft für das Konzert des Kirchenchores Mariatrost, 4. Juli 1991, 8;

(1994) Jakobisonntag in Kaindorf, ein preisgekrönter Beitrag zum Literaturwettbewerb „Heimat – was bedeutet das? in Steirische Berichte 1/94, 22-23;

(1994) ich erzähle mir die geschichten neu aus: du bist eine von uns in: kfb heute 33. jg., Dezember 1994;

(1995) die wächter sind weg aus: unter dem eis überleben die fische in: Neues Land, Wochenzeitung des Steirischen Bauernbundes, 16. April 1995, 55.Jg;

(1996) was sich gehört in: Literatur aus Österreich. Texte zeitgenössischer Autoren, Heft 240, Jg 41, Februar 1996, 11;

(1996) heimatvertrieben, langsam erkalte ich, meine grenzen, misstraue dem fest gefügten, erzähl mit von den liebenden, dieses gefasel von humanisierung, du christengott, ein kleines loblied, aus: unter dem eis überleben die fische in: Steirische Berichte, Steirisches Volksbildungswerk, 5-96, 21;

(1997) erfüllte wünsche (zu gioconda belli, einfache wünsche in: Steirisches Kulturmagazin Atelier hg. vom Künstlerclub Atelier 1997, 7;

(1998) als ich reden lernte aus: sprachzeiten in: LICHTUNGEN, Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik, 75/XIX.Jg., 1998, 42;

(1998) aus dem zyklus „sprachzeiten“ in: Lyrik in der Steiermark 1947 – 1997, Otto Eggenreich (Hg), Graz 1998, Leykam Buchverlagsgesellschaft, 166 – 168;

(1998) mein gelobtes land in: Monika Specht-Toman/Doris Tropper: Zeit des Abschieds. Sterbe- und Trauerbegleitung, Patmos Verlag, Ostfildern, S. 82;

(2000) damals blühte der jasmin, Maria (82), dein gesicht, deine füße I (102), im morgengrauen will er sich auf den weg machen (105), wortlos (193) in: Monika Specht-Toman/Doris Tropper: Wir nehmen jetzt Abschied. Kinder und Jugendliche begegnen Sterben und Tod, Patmos Verlag, Ostfildern;

(2000) Die offenen Fragen, Kein Stück Eisen, Die Hoffnung trägt uns, Die dunklen Seiten, Das neue Lob, Das Ziel bist DU in: Georg Schwikart (Hg.) Auf der Spur des Ewigen. Gebete der Moderne.Verlag Styria Graz Wien Köln 2000, 14, 32, 57-58, 65, 87-88, 126-127

(2003) manchmal denkt er, du wanderer im kosmos: eine frage, von abschied sprichst du in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 20, Jahrgang 2003, 144;

(2004) und sie singen zusammen …, idylle, der du bist in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 21, Jahrgang 2004, 86-87;

(2005) Erleuchtung, Theo soll er heißen in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 22, Jahrgang 2005, 108-109;

(2005) die claims werden abgesteckt und idylle in: Neid und andere Todsünden, hg. von Josef Graßmugg, Wettstreit der Literaturplattformen 2005, Web-Site-Verlag Ebersdorf, S. 136 – 140;

(2006) radiance, nur schlecht und recht in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 23, Jahrgang 2006, 91-92;

(2007) Kaleidoskop in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 24, Jahrgang 2007, 99;

(2008) Im Studierzimmer; es zählt nur die zeit in der wir zusammen waren in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 25, Jahrgang 2008, 97-99;

(2009) Der Dechant, der riesenalk, die stellersche seekuh in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 26, Jahrgang 2009, 100-101;

(2009) Gemeinschaftstaufe in: Kind, du bist uns anvertraut. Ein schöpfungsfreundliches Taufbüchlein, Hemma Opis-Pieber, Petra Ruzsics-Hoitsch (Hg.innen), ISBN 978-3-200-01745-0, 26;

(2010) ich schreibe dich in mein herz in: Kathrin Clausing (Hg.) Mit Liebe leben, Verlag am Eschbach der Schwabenverlag, Eschbach 2010, ISBN 978-3-88671-672-2, 73f;

(2010) das kleine mädchen; messe für kontrabass in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 27, Jahrgang 2010, 97-101;

(2011) Auf dem Weg nach Santiago di Compostela. In: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 28, Jahrgang 2011, 113;

(2012) tabula rasa 2 in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 29, Jahrgang 2012, 109;

(2013) A schöne Leich. Ein ländliches Melodram. In: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg, Nr. 30, Jahrgang 2013, 109 – 110;

(2013) Ich erzähle mir/die geschichten neu in: Spür deine Kraft. Biblische Frauen begleiten durch das Leben. Haus der Frauen 2013, S. 34;

(2014) mein himmel #66 in: Reibeisen, Das kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg Nr. 31 Jahrgang 2014, S. 122f;

(2015) eine gar nützliche anleitung für alle, die sich zum schreiben berufen fühlen oder: von deren elend. in: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg Nr. 32 Jahrgang 2015, S. 91; und in: Das sind wir. Freier Deutscher Autorenverband LV Sachsen-Anhalt, 1/2015, Heft 07, S. 17f.

(2015) parforceritt durch die geschichte. 1. intergenerativer poetry slam, in: die brücke graz, 26. november 2015

(2016) patmos trostlos. In: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg, hg. vom Europa-Literaturkreis Kapfenberg Nr. 33 Jahrgang 2016, S. 118;

(2017) vermischtes aus heroischen zeiten, ’s ist krieg! ’s ist krieg (matthias claudius) In: Reibeisen. Das Kulturmagazin aus Kapfenberg Nr. 34, Jahrgang 2017, S. 88 – 90;

(2017) Ein Lichterteppich. In: Halina M. Sega/Kay Ganahl (Hg.) Dramatische Weihnachten. Eine Anthologie mit Gedichten und Geschichten. Freier Deutscher Autorenverband/NRW und Solinger Autorenrunde, Düsseldorf 2017, S. 142 – 150;

(2018) koalas – ein literarischer dialog. In: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg Nr. 35, Jahrgang 2018, S. 141 – 142;

(2019) einmal gott sein. In: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg Nr. 36, Jahrgang 2019, S. 110;

(2020) 1 memento; 2 verlorene zeit; 3 tears in heaven; 4 ein post skriptum. In: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg Nr. 37, Jahrgang 2019, S. 95;

(2021) wie schön leuchtet der morgenstern In: Reibeisen, Das Kulturmagazin aus Kapfenberg Nr. 38, Jahrgang 2019, S. 98;

(2022) Martin Gutl: Frage die Zugvögel nach ihrer Heimat; DIE FURCHE 17, Seite 9; 28.April 2022, Seite 9;

(2022) Vorwort zu „glück wäre ich dir gerne gewesen“, Maria Stahl, SoralPRO Verlag Graz, S. 7 – 9;

martin gutl

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Als Nachlassverwalter des 1994 verstorbenen Priesters, Dichters und Rektor des Bildungshauses Mariatrost ist es mir ein Anliegen, seine Gedichte und Gebete im Bewusstsein zu halten. Ich verweise auf den von mir herausgegebenen Auswahlband seiner schönsten Texte „In vielen Herzen verankert“ (Styria 2014, 3. Auflage).
Vor der Veröffentlichung von Texten Martin Gutl ersuche ich um Kontaktaufnahme zur Genehmigung der Abdruckerlaubnis:
karl.mittlinger@gmx.at
Hier ein kurzes Lebensbild:

Wenn Gott uns heimführt …

Dieser wohl bekannteste Psalm des vor 20 Jahren verstorbenen Priesterdichters Martin Gutl ist eine tröstliche Botschaft, die an den Gräbern von Verstorbenen landauf landab verkündet wird. Sie drückt abseits aller unverständlich gewordenen Theologie die Hoffnung auf ein paradiesisches Zusammenleben mit jenem Gott aus, der jenseits des schrecklichen Todesgrabens auf die Menschen wartet. Die Texte dieses Priesters strahlen auch heute noch unvermindert; ein Zeichen sind die vielen Abdruckanfragen von Verlagen, die mich als Nachlassverwalter immer wieder erreichen, dadurch werden die Texte über den ganzen Sprachraum gestreut und wenn eben jetzt die dritte Auflage des Auswahlbandes „In vielen Herzen verankert“ im Verlag Styria erscheint, so wird jenen, die Martin Gutl nicht mehr begegnet sind, erneut ein Zugang zu diesem ungewöhnlichen Menschen eröffnet.

Der 1942 in Mühldorf bei Feldbach (Stmk) geborene Sohn einer Kleinbauernfamilie geht den damals „klassischen“ Weg eines Priesters: Knabenseminar und Priesterseminar in Graz, Priesterweihe 1966, Kaplan in Mürzzuschlag. Der als unruhiger Geist bekannte Kaplan wird vom damaligen Studentenseelsorger Dr. Egon Kapellari als Mitarbeiter gerufen, später wird er Kaplan in der Grazer Innenstadt. Er fällt durch sein soziales Engagement auf, er ist Mitbegründer der Telefonseelsorge und agiert oft am Rande der Legalität, wenn es darum geht, Menschen in Notsituationen zu helfen. Aber das rastlose, ständige Helfen-Wollen laugt ihn aus. Er spürt, dass er sich verändern muss, er tritt in das Zisterzienserkloster Rein bei Graz ein. Aber Frater Emmanuel findet nicht, was er gesucht hat. Er lässt sich als Pfarrer in das obersteirische St. Peter ob Judenburg versetzen und auch das ist es nicht.

Erst die Stelle des Rektors des diözesanen Bildungshauses Mariatrost gibt ihm, was er suchte: frei von Verwaltungsagenden kann er Vorträge, Kurse und Gesprächsrunden leiten. In spirituellen Impulsen kann er weitergeben, was er erfahren, meditiert und erbetet hat. Schon in der Zeit als Studentenseelsorger beginnt er zu schreiben. Im Laufe seines Lebens erscheinen ein Dutzend Bücher. Der neue, ganz ungewohnte Ton, die unmittelbar zugängliche Sprache und vor allem sein Gottesbild sind es, die Zuhörende und Lesende faszinieren. Da spricht und schreibt einer von einem lebensbejahenden Gott, der nicht straft und kein kleinlicher Buchhalter ist. Wie Gott ist, erfahren die Menschen durch ihn, alle Unglücklichen, Verlassenen, Enttäuschten, die Suicidgefährdeten und an den Rand Gedrängten, aber auch jene, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Alle, wirklich alle haben in Gott einen Helfer in der Not, das ist seine Botschaft, die er mit dem Einsatz seines Lebens den Menschen näher bringen will. Weit über 100.000 Bücher werden verkauft und zeitweise wird er als Star herumgereicht. Er kommt an, weil er bei den Menschen angekommen ist. Aber als Priester, nicht als Psychotherapeut. Ohne therapeutische Distanz. Er ist ein Ergriffener, ein angreifbarer, berührbarer Mensch, das will er sein, Tag und Nacht verfügbar. Und die Menschen kommen zuhauf und saugen ihn aus, bis er nicht mehr kann, bis sein Körper reagiert.

Diagnose Hypophysentumor. Er feiert sein 25jähriges Priesterjubiläum schon als Gezeichneter. Es bleiben ihm drei Jahre, 1994 wird er nach erfolgloser Operation und vergeblichen therapeutischen Maßnahmen friedlich sterben. Mit ihm stirbt einer jener Priester mit deutlichem Profil; sein Jahrgangskollege, der Priester, Maler, Schriftsteller und Gründer des Kulturzentrums bei den Minoriten, Josef Fink, ist der andere, er wird fünf Jahre später sterben. Beide sind unverwechselbare Persönlichkeiten in der steirischen Kirche, bis heute klafft eine Lücke. Was bleibt, sind Martin Gutls Texte.

Im jetzt neu aufgelegten Sammelband habe ich jene Texte versammelt, die mir als seine besten erscheinen. In neun Kapiteln, die vom Verlag mit stimmigen Bildern bereichert wurden, wird ein Bogen von stärker autobiographischen Texten über seine zermürbenden Begegnungen mit menschlichem Leid hin zu tiefen mystischen Erfahrungen gespannt. Es sind fast immer Dialoge mit Gott. Niemals entsteht der Eindruck von Selbstgesprächen oder stummen Monologen, zu lebendig, zu selbstverständlich ist ihm das Du, auch wenn ihm die Fragen bleiben und er auf dem Aschenhaufen sitzt wie Hiob. Aber Hiob beginnt zu tanzen,

…bis seine kleine Form in Stücke brach,

bis er als Ton, endgültig frei,

in unendliche Räume

fortschwingen konnte.

(159).

Es sind seine Bilder, die unmittelbar berühren, sie kommen aus seinem kindlichen Gottvertrauen, sie sind nicht geläutert durch hohe Theologie, dadurch aber auch nicht verkopft und spröde.

Ich möchte mit Dir, lieber Gott,

zwischen zwei Wäldern

auf schmalem Weg gehen.

Morgennebel, taunasses Gras,

und hinter den Bäumen

beginnt die Sonne zu leuchten

(83).

Und als er sich aufschwingt zu einem Jesusbekenntnis, entspringt eine geradezu klassische Miniatur seiner Feder:

Jesus

Einer kam

und zeigte,

wie ein Blitzlicht,

einen Bruchteil

der Geschichte,

was ein Mensch

sein könnte

(135).

So geht es Seite um Seite. Schmerzliches Mitleiden, wie es das Wort griechische Sympathie nahelegt, wechselt mit reflektierten Erfahrungen aus solchen Begegnungen. Erlebnisse in der Natur

Aus der Sehnsucht der Raupe,

als Schmetterling

ihre Flügel ausbreiten zu dürfen,

aus Sehnsucht,

nur aus Sehnsucht

ist das Weltall aufgebaut

(178)

und tiefes Eindringen in die Botschaft der Bibel lassen in diesem „extrovertierten Mystiker“, so möchte ich ihn nennen, einen Menschen erkennen, der sagen konnte:

Beten heißt:

sich von den Engeln

die Flügel ausborgen

(127)

Das Gebet ist ihm geblieben, auch in der Krankheit zum Tode. Als Gott ihn heimbrachte aus den Tagen der Wanderschaft, wusste er:

… das wird ein Fest sein!

Ein Fest ohne Ende!

(195)

Karl Mittlinger

Rektor Martin Gutl hat zusammen mit mir 10 Jahre das Bildungshaus Mariatrost geleitet.

(Dieser Beitrag erschien in DIE FURCHE 13/27. März 2014, S. 14)

Beitrag zum 80. Geburtstag am 28. April 2022

Martin Gutl:
Frage die Zugvögel nach ihrer Heimat

DIE FURCHE ● 17, Seite 9; 28.April 2022

„Ich will verstehen können,
was nicht zu verstehen ist.
Im Schweigen finde ich
eher den Sinn der Geschichte
als im Reden.“

Martin Gutl

Am 28. April wäre Martin Gutl 80  ­Jahre alt geworden. Erinnerung an ­einen ­Priester und Dichter, der sich in ­gedichteter Sprache Gott zu nähern suchte und auf diese Weise auch mit ihm haderte.

Von Karl Mittlinger

Vor 80 Jahren, am 28.April 1942, wird in Mühldorf bei Feldbach (Steiermark) der spätere Priester und Dichter Martin Gutl in kleinbäuerliche Verhältnisse hineingeboren, er besucht das Bischöfliche Knabenseminar in Graz, nach der Matura studiert er Theologie und wird 1966 zum Priester geweiht. Sein erster Gedichtband erscheint 1973, es werden ein Dutzend weitere folgen, die Verkaufszahlen überschreiten weit die 100.000er-Marke.

Martin Gutl wirkt als Kaplan im obersteirischen Mürzzuschlag und in der Grazer Stadtpfarre, als Studentenseelsorger in Graz. Er zieht sich, dem Impuls folgend, ein Mönch zu werden, in das Zisterzienserkloster Rein-Hohenfurt zurück, nach kurzer Zeit geht er wieder in die Seelsorge und wird Pfarrer in St. Peter ob Judenburg, sein Weg führt ihn schließlich in das Bildungshaus Mariatrost, wo er die letzten zehn Jahre seines Lebens als geistlicher Rektor seinen Platz als theologischer Referent und spiritueller Begleiter findet, er stirbt am 20. August 1994 und ist auf dem Friedhof Mariatrost in Graz begraben.

Diese nüchterne Aufzählung gibt in keiner Weise wieder, was er für die vielen Menschen bedeutete, die seinen Predigten und Vorträgen lauschten, gibt nicht wieder, in welche Abgründe er blickte und wie vielen Menschen er Halt und Stütze war. Seine Texte legen auch ein Vierteljahrhundert oder eine Generation später Zeugnis von diesem Menschen ab, den sein pastoraler Impetus an die äußersten Grenzen des Menschseins trieb, er ist Gast in den Quartieren der Außenseiter, wird zu Menschen „auf der Brücke“ gerufen und ist vielen der einzige Bezugspunkt zur Kirche.

(An dieser Stelle sei an meinen ausführlicheren Lebenslauf im Nachwort des Buches „In vielen Herzen verankert. Seine schönsten Texte“ (Verlag Styria 1996 und weitere drei Auflagen) verwiesen, die Seitenzahlen bei den hier zitierten Texten beziehen sich auf diese Ausgabe.)

Gebete wie Gedichte

Der Priester Martin Gutl lebt trotz vieler Zweifel in seiner religiösen, katholischen Umwelt. Als junger Kaplan gehört er zu jenen Priestern, die sich den Menschen ohne Scheu nähern und in der Zeit nach dem II. Vatikanischen Konzil (1963–1965) weit die Fenster in die Welt öffnen; die Texte des Dichters Martin Gutl sind Meditationen, innere Monologe, die er aus den Begegnungen heraus mit seinem Gott führt.
Wo immer man in seinen Texten blättert, man stößt auf die Gottesfrage. Der fragende Mensch – und er war ein Musterbeispiel dafür – steht vor einer Wand, besser vor einem Abgrund und kann nicht weiter. Er hat nur die Möglichkeit, über die Mauer zu springen (wie in Psalm 18, den jeder Kleriker oftmals betet), oder sich in den Abgrund fallen zu lassen – in die Hand Gottes:

Die Warum-Fragen engen mich ein
und verwirren mich.
O Gott, ich merke:
Meine Warum-Fragen führen ins Nichts.
Ich bete zu Dir! Erbarme dich meiner!
Hilf mir, von den Fragen loszukommen
und mich in Deine Hände fallen zu lassen.
Ich weiß, o Gott,
der Stolz hält mich ab,
mich fallen zu lassen.
Ich will erklären, verstehen,
will Fragen stellen,
wo es keine
Antwort gibt.
Ich will verstehen können,
was nicht zu verstehen ist.
Im Schweigen finde ich
eher den Sinn der Geschichte
als im Reden.
(63)

Gott stellt er niemals infrage. Aber sein aufgeklärter Verstand hat ein Problem mit ihm. Wieso alles Unglück, warum ist die Welt nicht verändert trotz der Auferstehung, warum, warum.

Mit Gott ins Gespräch treten

Er steigt nicht aus dem religiösen Kontext, der ihn von Kindesbeinen an umgibt. Er ringt mit seinem Gott sein Leben lang. Das umfassende religiöse System mit seinen Sinnerklärungen, die Frage, warum Gott das alles zulässt, die uralte Theodizee-Frage, lässt ihn nicht los, er kann und will sie nicht wegschieben, weil sein Leben dann sinnlos würde.
Seine Texte sind dazu ein Lesebuch.

Ich will verstehen können,
was nicht zu verstehen ist.
Im Schweigen finde ich
eher den Sinn der Geschichte
als im Reden.

Martin Gutl

Sie sind aber vor allem Gebete. Beten heißt, mit Gott ins Gespräch treten, und er lebt im ständigen Dialog mit Gott, der für Nichtreligiöse als Selbstgespräch, als innerer Monolog erlebt wird. Aber genau da liegt der Schlüssel seines Glaubens: Selbstgespräch und Gebet zu Gott lassen sich nicht trennen, Gott ist es, der sich in ihm verbirgt (133).

Er sitzt Unbekannten in der Eisenbahn gegenüber und betet für sie, er schleppt eine Trinkerin in ihr Kellerverlies und zündet für sie eine Kerze an:
Von Haus zu Haus wandern / mit den Augen eines Glaubenden. // (41) Alles wird ihm zum Gebet. Beten heißt: / sich von den Engeln / Flügel ausborgen. // (126)

Martin Gutls Bücher erleiden das Schicksal vieler „religiöser“ Autorinnen und Autoren, die professionelle Kritik in den säkularen Medien schiebt religiöse Texte weit von sich – in vielen Fällen genügen diese auch wirklich nicht den Kriterien, mit denen zeitgemäße Lyrik gemessen wird. Er ist in diesem Sinn ein zu spät Geborener. Gerade in dieser Zeit, in der eine Flut spirituell-esoterischer Auslassungen den Buchmarkt überschwemmt, sind seine bilder- und metaphernreichen Texte geradezu nüchtern, erinnern aber auch an das Ringen der christlichen Mystikerinnen und Mystiker des Abendlandes, die aus dem biblischen Fundus ihre Kraft schöpfen.

Der Text „Du strömendes Du“ verdeutlicht in ganz besonderer Weise diese mystische Verflech­tung seines Lebens mit der Frage nach Gott:

Wie Tau auf den Gräsern
liegst Du auf meinen Gedanken.
Wie ein Morgen breitest Du Dich aus
über meine Tiefen.
Wie ein Abend hüllst Du uns ein
in Dein Schweigen,
Du bleibendes Antlitz
hinter unseren flüchtigen Blicken,
Du strömendes Du hinter meiner Maske.
Du Ozean in den Augen der Guten,
Du Friede in den Händen der Liebenden,
Du reiches, fließendes,
unaufhaltsames, unerschöpfliches Du!
Du helles, Du dunkles Du!
Du überdachst mich mit dem Zelt Deines Alls.
Du birgst mich,
Du erziehst mich zur Weite,
indem Du mich aus dem Paradies vertreibst
Du hast mich aus dem Nest geworfen.
Einen unruhigen Geist hast Du
in meinen Lehm gehaucht.
Du lässt mich nicht ruhen.
Wie Abraham
drängst Du mich aus Ur in Chaldäa.
Jahrzehnte werden vergehen
bis Licht und Dunkel ge
eint sind in mir,
wie sie eins sind in Dir. (110)

Es ist die Natur mit all ihrer Schönheit, mit ihrer unerschöpflichen Fülle und Kraft, die für ihn zur Metapher für das Göttliche wird, und am Ende seines Lebens, als ein unoperabler Hypophysentumor seinen Lebenskreis einschränkt, wächst sein Glaube in die Sphäre des vertrauenden Kindes hinein, und sein Meisterstück gelingt ihm:

Hinter den Horizonten
spielten die Engel
auf den Harfen des Salomo.
Die Propheten tanzten
und die Heiligen sangen
das Lied vom tanzenden Hiob,
der Himmel und Erde einschloss
und nicht anders konnte,
als fortwährend tanzen,
bis seine kleine Form in Stücke brach,
bis er als Ton, endgültig frei,
in unendliche Räume
fortschwingen konnte.
(158)

Sein bekanntester und beliebtester Text, angeregt durch den Psalm 126, ist: „Er führt uns heim“ (194), dieser wird bei Trauergottesdiensten und Gebetsabenden für Verstorbene immer wieder gebetet und drückt jene Hoffnung aus, die mit Gott verbunden ist, mit jenem Urgrund des Lebens, der nur mehr in den äußersten Grenzsituationen ins Bewusstsein geholt wird.

Tanze, Adam, tanze, Eva!

Zum Schluss sei noch sein wichtigster Text vorgestellt, jenes kleine Bekenntnis, das den Glauben aller Christinnen und Christen bündelt:

Jesus
Einer kam
und zeigte,
wie ein Blitzlicht,
einen Bruchteil
der Geschichte,
was ein Mensch
sein könnte.
(134)

Die Texte Martin Gutls sind es wert, gelesen zu werden. Sie können Wege in das Innere erschließen, dorthin, wo Gottesbegegnung möglich sein kann. Nicht nur für Trauerfeiern, auch für andere Gottesdienste finden sich Gebete und Texte, die an Lebenssituationen anknüpfen, die Mut und Zuversicht wecken und veraltete, unbrauchbare Gottesbilder in den Hintergrund treten lassen.

Tanze, Adam,
tanze, Eva,
tanze, o Mensch,
denn du bist frei!
(152)

Der Autor ist Theologe und war von 1979 bis 2007 Direktor des Bildungshauses Mariatrost in Graz, Wegbegleiter und Nachlassverwalter von Rektor Martin Gutl.

Martin Gutl

© Styria

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Buch

In vielen Herzen verankert

Ausgewählte Texte
Von Martin Gutl,
Hg. von Karl Mittlinger.
Styria 2020
240 S., geb.,
€ 19,99